Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Bilderbeck, Rudolf Christoph von (1714-1786)[1]
Empfänger Landesregierung in Hannover
Ort Hannover
Datum 17. Januar 1764
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 77r-79r
Transkription Hans Gaab, Fürth


P. M.[2]

Was zuforderst die von dem Professore Lowitz verlangten Abschriften anlanget; So leidet es ad 1.) keinen Zweifel, daß demselben die Gutachten[3] quaes. nicht und nicht abschriftl. mit zu theilen, sondern auch nicht mahl zur Einsicht vor zu legen.[4] Es gehen ihn selbige nichts an, sie gehören nicht zu den Untersuchungs Acten, sie werden nicht mit verschicket, es wird nicht darauf gesprochen, u. also ist es auch nicht nöthig, daß er solche wiederleget.

ad 2) hat es mit denen Vorstellungen der HofRäthe Ayrer[5] u. Mich.[6] gleiche Bewandniß. Es würde über dem deren Communication nur noch zu mehrern Streit u. Mißhelligkeiten Anlaß geben. Von denen Vorstellungen die der Profess. Lowitz bey Königl. Landes=Re=

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gierung selbst übergeben, köndte ihm Abschrift mitgetheilet werden, mit dem Bedeüten, daß er künftig von seinen etwan zu übergebenden Vorstellung Abschrift zu behalten habe.

ad 3) Würde dem Profes. Lowitz die von denen übrigen Acten=Stücken verlangte Abschrift nicht zu versagen seyn. Es ist dieses der Lehre der Criminalisten

  vid. Pufend. Proc. Crim. Cap. 17. § 12[7]
  Mev. f.a. d. 321 n. 7 & 8[8]

u. unser Crim. Instruct, Cap. 9 § 4 ganz gemäß, sindemahl hieselbst unter den Worten:

  oder was ansonsten ex actis bedarff

gar wohl integra actas verstanden werden können, zumahl alles was zu des Inquisiten Defension gereichet, quam latissime[9] zu erklahren. Nicht zu gedencken, daß es

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dem Profess. Lowitz oder deßen Defensori bey der Inspection der Acten allenfalls frey gestanden, solche ganz abzuschreiben.

Betreffend hiernächst die von dem Profess. v. Selchow[10] anderweitig übergebene Defensions=Schrift;[11] So erkennet derselbe selber daß darin annoch einige anzügliche Ausdrücke anbehalten. Seine Versicherung, daß solches nicht von Mangel der dem academischen Gericht schuldigen Achtung sondern von einem Versehen des Copiisten herrühre, ist fast nicht glaublich u. enthält gleichsam eine protestatio facto contraria[12]. Es ist auch nicht genung[13], daß Hl.v. Selchow die anzüglichen Stellen ausgestrichen, es bleibet allzeit unschicklich und wieder die der Deputation schuldigen Achtung laufendt, daß er solche nicht ganz weggelaßen. Zu dem kan

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man selbige noch mehrentheils deütlich lesen. Ich glaube also, die so vorgedachte Defensions=Schrift abermahl zurück zu geben, damit sie von allen anzüglichen Ausdrücken gesäubert werde, zumahl die Sache dadurch nicht aufgehalten wird, indem acta ohnehin nicht ehender bis die Lowitzsche Defens. Schrift eingekommen, verschicket werden können.

B. M.

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P. S.

Das verlangte Gutachten in der Göttingl. Pasquil=Sache erfolget hiebey, nebst ergebenster Bitte Hl. Cammer Praesidenten Excell. zu versichern, wie ich es mir jederzeit zur großen Ehre rechen, wenn Hochdieselben mich zu gebrauchen geruhen. Die mir zugestellten Acta gehen hiebey gleichfalls zurück.


den 17 Jan.     1764

Bilderbeck



Fußnoten

  1. Bilderbeck war Hofrat in Hannover. 1780 wurde Kanzleidirektor in Hannover, 1783 wechselte er in gleicher Stellung nach Celle.
  2. P.M.: Pro Memoria. Bilderbeck beantwortet hier die von Prorektor Vogel im Brief vom 08.01.1764 aufgeworfenen Fragen.
  3. Gemeint sind Bilderbecks Rechtsgutachten vom 15.05.1763 und vom 18.08.1763.
  4. Randbemerkung links an dieser Stelle: "NB dieses könte der Univers. Deputat. ausdrücklich zu verstehen gegeben werden".
  5. Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat. Der Stallmeister Ayrer war sein Neffe. Lowitz bezieht sich auf dessen Brief vom 20.06.1763.
  6. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung. Lowitz bezieht sich auf dessen Brief vom 20.06.1763.
  7. Pufendorf, Esaias (1628-1689): Introductio in Processum Criminalem Luneburgicum. Frankfurt, Leipzig: Nicolaus Foerster 1732, Kapitel 17, § 12
  8. Mevius, David (1609.1670): Decisiones Super Causis Praecipuis Ad Praedictum Tribunal Regium Delatis. 7. Aufl. Frankfurt a. M.: Jung 1740, Decisio 321.
  9. quam latissime: möglichst weit.
  10. Der Jurist Johann Heinrich Christian von Selchow (1732-1795) war seit 1757 außerordentlicher Professor der Rechte, 1762 dann ordentlicher Professor in Göttingen.
  11. Selchow hat seine Defension am 11. Oktober eingereicht. Sie wurde ihm jedoch zurück gegeben, weil sie anzügliche Stellen enthielt. Auch mit seiner erneuten Einreichung war man nicht einverstanden, da diese Stellen zwar durchgestrichen, aber noch lesbar waren.
  12. protestatio facto contraria: Einwendung, die mit dem eigenen Handeln in Widerspruch steht.
  13. genung: genüge.