Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 18. Februar 1726
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 87,1r-2v
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg den 18. Febr.
A. 1726.    

HochEdler und Hochgelährter, Insonders Hochgeehrter Herr
werthester Freund und Gönner!

Ew. HochEdel beede angenehme Schreiben, das eine vom 9. Jan. und das andere von 10 Febr:[1] habe ich inmittelst richtig erhalten, und aus solchen dero sonderbare Gütigkeit gegen mich abermahlen sattsam verspühret, indeme in dem ersten die verlangte Nachricht von des Seel. Herrn Vatters Scriptis[2] in den andern aber eine mühsame Deduction der bishero angestellten observationen erhalten. Wir sind hier, da Mr. de l'Isle fast 3. Wochen sich in Nürnberg aufgehalten,[3] nicht so glücklich gewesen um etwas, weil das Wetter immer trüb gewesen, wie Sie in Berlin in viel kürzerer Zeit, zu observiren, da mich auch nachdeme sowohl der trübe himmel als einige Indispositien, die von der Kälte hergekommen, ferner verhindert um ein gleiches mit Ihnen observirt zu haben, also daß ich nur meinen ergebensten Danck und nichst weiters vor dieses mahl abstatten kan, da sich E. HochEdl. so viele Bemühung hierinnen gegeben, den ich auch hiemit ablege und versichere, daß, wo ich was dargegen aus meinen briefen werde communiciren können, ich es von Herzen gern, wie schuldig, thun werde, und ist mir gar lieb, wo etwas in denen von Mr. de l'Isle an mich heut verlassenen Briefen zu finden, so E. HochEdlen anständig ist, das man nach belieben excerpieren kan. Daß Hl. Pater Nicasius ein rechtschaffener Mann und fleißiger Observator, ist mir aus vielen Proben bekandt, dahero ich Ihne auch vor andern, als ich von E. HochEdl.

[Bl. 87,1v]
durch die Hhl. Endterischen[4] zwey Exemplari, von denen sich in diesem Jahr ereignenden Phaenomeni empfangen,[5] gleich eines davon mitgetheilet, wofür er nachdeme eine in Rom gehaltene Disputation, die hiebey folget, da selbige dem Mr. de l'Isle mitzugeben vergessen, vor E. Hochedl. determiniert;[6] es wird Ihme dero correspondenz gar angenehm seyn, welches aber in lateinischer Sprach seyn muß, weil Er als ein gebohrener Italiener, nicht sonders in der teutschen versiert ist, da dann die Briefe fleissig befördern werde, dann ich zum öfftern an Ihn schreibe. Was unser Hhl. Passagiers anlanget, so kan wohl sagen daß mich ihre Gegenwart ebenfalls sehr contentiert, und ich, viel gutes gehöret und viel schönes gesehen, wie mir denn auch alle der bemeldte Instrumenta wohl bekandt sind, die ich zwar täglich gesehen, zur Application aber wegen des unfreundlichen Wetters nicht habe bringen können. Die obbemeldte zurückgelaßene Brieffe, dabey auch etliche schemata Eclipsium von Hl. Hofmann[7] seyn werden, können mit guter Gelegenheit überschicket werden, sollte aber ein brief von der Hand des Hl de l'Isle als eine Nachricht von seiner Reise dabey seyn, wollte mir solchen allein um desto eher ausbitten, indeme darinnen absonderlich wissen mögte, wie man von Berlin an Ihn nach Petersburg Paquete und andre Sachen, da er mir

[Bl. 87,2r]
solches zu vermelden versprochen, ganz sicher bringen mögte, wie dann schon den 9 Jan. eine Paquet von hier nach Leipzig geschicket und gebetten daß man es gleich von davon aus ganz Franco nach Berlin an E. HochEdlen vor Mr. de l'Isle übermachen mögte, da ich nun aus dero ein ganz Monath späther abgelassenen lezten briefe nichts vernehme, ist mir leidt, daß Mr. de l'Isle nicht allein solches bey seiner Gegenwart in Berlin, wie es wohl hätte sein können, nicht bekommen, sondern auch eben dieses nicht noch, da dero leztes Schreiben an mich erfolget, denn man es sonsten würde gemeldt haben, an E. HochEdlen abgegeben worden, weßwegen sehr en peine bin, und dahero nächstens nach Leipzig muß schreiben lassen, was es vor eine Beschaffenheit damit habe, bitte also inständig sobald es ankommet soviel Gütigkeit zu haben und die Bestellung, weil ein Russischen Herr Ambassadeur allda befindet, bestens vor die Hand zu nehmen, da man bey einem couvert die Addresse an den Hl. Leibmedicus Blumentrost,[8] mit welchem zu correspondieren die Ehre habe, ohnbeschwerd machen könte, damit es desto gewißer an Hl. De l'Isle gelieffert werden möge. Daß der Brief an Hl. Goldberg den

[Bl. 87,2v]
Herrn de l'Isle mitgegeben worden, ist mir angenehm,[9] wie die Leipziger gelehrte Zeitung giebet, so ist Er als ein Mitgliedt von der neuen Academie erkläret worden, daß Er aber beständig allda verbleiben solle, habe er deßwegen von Sr. M. dem König keine Order,[10] hoffe also daß Er bald wiederum sich in unsren Gegenden einfinden werde, und mich einmahl wieder mit einem Schreiben erfreue. Die Zeit hat mir noch nicht zugelassen dero übersandte Observationes genau durch zugehen, ich werde es aber mit nächsten thun und corrigieren was zu corrigieren ist; mit dem Maß der leygebischen Statue hat es noch bis Ostern Zeit,[11] da sich wohl inzwischen noch eine Gelegenheit dazu praesentieren wird, und mir dann auch, wo etwas inzwischen von des bekandten Herrn Zimmermanns Leben communicable sollte gemacht werden,[12] einige Nachricht davon ausgebetten haben will dargegen ich mich wiederum zu andern angenehmen diensten willigst offerire und unter Erlassung Göttl. Protection verharre

    E. HochEdlen

Meines hochgeehrten Herrn
und werthesten Gönner    

ergebenster diener    
JG Doppelmayr mpp    


Fußnoten

  1. Die Briefe Kirchs vom 9. Janaur und vom 10. Februar 1726 sind nicht überliefert.
  2. Gottfried Kirch (1639-1710) war um 1700 der bekannteste deutsche Astronom. Ab 1700 war er auch Leiter der Berliner Sternwarte gewesen. Bereits im Brief vom 22. Juli 1724 hatte Doppelmayr sich bei Christfried Kirch nach den Lebensumständen dessen Vaters erkundigt. Doppelmayrs Historische Nachricht von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern kam 1730 heraus. Das Leben von Gottfried Kirch stellt er hierin in Fußnote (m) auf S. 151f. dar.
  3. Auf seiner Reise von Paris nach St. Petersburg war Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) am 8. Dezember 1725 in Nürnberg eingetroffen.
  4. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  5. Kirch, Christfried: Merckwürdige Himmels-Begebenheiten, so sich im bevorstehenden 1726. Jahre zutragen werde. Berlin: Haude 1725.
  6. Mit Brief vom 11. November 1725 bat Grammatici Doppelmayr eine Dissertation von Honoratius Burgund (1679-1741) zu Kirch in Berlin weiterzuleiten. Burgund war Rektor des Jesuitenkollegs in Rom, wo er dreißig Jahre lang Mathematik lehrte.
  7. Johann Heinrich Hofmann (1669-1716) war ab 1710 Leiter der Berliner Sternwarte gewesen.
  8. Laurentius Blumentrost (1692-1755) gründete 17124 auf Wunsch des Zaren die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg.
  9. Während des Aufenthalts von Goldbach in Berlin hatte Doppelmayr Briefe an ihn den Briefen an Kirch beigelegt, so u.a. am 31. Mai 1725. Damals hatte Goldbach Berlin aber bereits verlassen und reiste über Riga nach St. Petersburg. Doppelmayr hatte Kirch angewiesen, den Brief so lange liegen zu lassen, bis sich eine gute Gelegenheit ergäbe ihn nach St. Petersburg zu überschicken. Diese Gelegenheit hatte sich also nun mit dem Besuch von Delisle in Berlin ergeben.
  10. In den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen aus Leipzig vom 24. Dezember 1725, S. 992 steht zu lesen, dass Delisle "den 15 November nach Petersburg gegangen, dahin er von Sr. Czaarischen Maj. verschrieben worden, ein Observatorium aufzurichten, hat sich, mit Erlaubniß des Königs, nur auf 4 Jahre verbindlich gemacht daselbst zu bleiben." Nach der Ausgabe vom 13. Dezember 1725, S. 959, brach er am 12. November auf.
  11. Nach Gottfried Leygebe (1630-1683) hatte sich Doppelmayr bereits im Brief vom 12. April 1720 erkundigt. Er führt ihn in seiner Historische Nachricht von 1730 auf, vgl. S. 237-239.
  12. Schon im Brief vom 20. Dezember 1724 hatte sich Doppelmayr bei Kirch nach Johann Jacob Zimmermann (1642-1693) erkundigt.