Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 9. März 1725
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 83,1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

Nürnberg, den 9. Mart.
A.C. 1725.   
[praes. den 29 Maj.]

HochEdler und Hochgelährter, insonders Hochzuehrender
Herr, werthester Gönner.

Das von E. Hochedl. den 9. Januar: abzulassen Beliebte[1] habe ich inzwischen richtig erhalten, und daraus so wohl die gütige Willfahrung bey communication einiger verlangten observationen, als eine weitere Versicherung um mich künfftighin mit mehrerm dergleichen zu providiren,[2] und die angefangene Correspondenz noch ferner geneigt zu continuieren, mit vielen Vergnügen verspühret, vor welche angenehme Willfahrung ich hiermit meinen ergebensten danck abstatte, und versichere wie ich in andern occasionen zu dienen jederzeit wiederum bereit seyn werde, inmittelst communicire zur Bezeugung meiner Schuldigkeit dargegen einige Emersiones und Imersiones primi Jovialis, wie solche zu Lissabon von denen P.P. Jesuitis Joh. Bapt. Carbone und Dom. Capasso[3] anno 1723. und 1724 mit einem campanischen[4] Tubo von 30 Palmis Romanis[5] observiret worden welche folgende sind:[6]

    D. H ' ''     D. H ' ''
(1723.) Emers: 23. Jul: 7. 47. 0. (1724) Emersio 9. Sept. 11. 34. 26.
------ Emers: 7. Sept. 8. 21. 48. ------ Emersio 25. Sept. 9. 59. 21.
(1724) Immersio 8. Jun. 2. 3. 28. ------ Emersio 4. Oct. 6. 26. 44.
------ Immersio 19. Jun. 3. 56. 27 ------ Em: 18. Oct. 10. 21. 20.
------ Immersio 30. Jun. 2. 8. 51. ------ Em: 3. Nov. 8. 42. 30
------ Emersio 2. Sept. 9. 36. 27.            

Sollte ich künftig ein mehrers von dergleichen Gattung erhalten, werde ich, wie schuldig, damit aufwarten, unterdessen bitte, wo etwann von andern Orthen was in hoc genere umlauffet, auch was hiervon so wohl in des Seel. Hl. Vatters[7] als E. HochEdlen observationen

[83,1v]
sich noch finden mögte, deßwegen meiner noch ferner betrefs Eingedenck zu seyn. Indem ich von des Seel. Herrn Vatters observationen was melde, so fället mir bey, wie Mr. de l'Isle (gleichwie Er in seinem letzten Schreiben an mich gemeldet) ein großes Verlangen habe, um verschiedne versprochene Observationes, welche der Herr Vatter gehabt, von dero Gütigkeit zu erlangen, und zwar je eher je lieber, das ich hiemit richtig habe hinterbringen wollen, weil ich es in meiner lezten Antwort zu erinnern Ihm versprochen; als deme man wegen der großen Liebe, die Er zu Astronomie träget, billich zu gratificiren[8] hat. Bey occasion der obigen Observationen kommet mir auch zu vernehmen bey, da E. HochEdl. von einem Tubo companiano, der 16 Schuh lang ist,[9] melden, um zu fragen, wie viel solcher gekostet, und woher man solchen bekommen. An guten Tubis von verschiedener Größe habe bishero noch einen zimlichen Abgang, sicher also von solchen einigen die guth seyn mögen. Sollte es Gelegenheit geben noch mehr observationes in Hamburg künfftighin anzustellen, wird mir dern gütige communication gar angenehm seyn, um eine differentiam Meridd. daraus desto richtiger deduciren zu können, inzwischen bin ich begirig zu vernehmen wie es mit dem neuen beyrischen observatorio allda stehe, und ob man die Beschreibung von den neuen Globis, die ich hier vergebens gesuchet, vor die schuldige Bezahlung haben könne.[10] Die Nachricht, was der Seel. Herr Vatter und Hl. M. Zimmermann in Astronomicis wesentliches praestiret,[11] wird mich sehr erfreuen, und zu Ihrem Ruhm gereichen, denn ich

[Bl. 83,2r]
solche meistens publice rühmen werde. Übrigens recommendire mich wegen der Leygebischen Statua[12] zum guten Andencken, dern Höhe man mit einem Faden, ohne den Pedestallo, wann fermelde die Kunstkammer besehen, gar wohl nehmen könte. Sollte man des M. Dörffels Astronomische Betrachtung von dem großen Cometen A. 1680. und 1681.[13] (der sich nur mit M. G. S. D.[14] auf dem Titulblatt unterschrieben) vor die schuldige Bezahlung bey Ihnen finden können, wäre mir soche Verlassung, da ich diese Piece schon lang aber vergebens bey uns gesuchet, es möge auch kosten was es wolle, gar angenehm; endlich bin ich auch curieux annoch mich zu erkundigen, ob die versprochene Historie von den Nordscheinen noch zum Stand kommen werde und wie bald,[15] weil einige Nachfrage deßwegen an mich gelanget. Gegenwärtige Zulage bitte förderlichst an Hl. Hofrath Goldbach abgeben zu lassen,[16] und bey Gelegenheit zu vernehmen, ob er gern sehe, absonderlich so Er ausserhalb Berlin sich befinden sollte, daß ich auf den Brief conseiller de la cour de la Majeste Prussienne ins künfftige schreiben werde um nur hierinnen nichts als ein Versehen imputiren zu können, weßwegen einigen Bericht occasionaliter erwarte, unterdessen aber verbleibe

E. HochEdlen    
meines hochzuehrenden Herrens    
     
  P.S. Wegen des dörfflischen tractats bitte Hl. Hoffrath Goldbach auch zu ersuchen, ob er mir solchen nicht zu verschaffen wisse.  
ergebenster diener    
JG Doppelmayr mpp


Fußnoten

  1. Der Brief von Kirch an Doppelmayr ist nicht überliefert.
  2. providiren: versorgen.
  3. Die beiden Jesuiten Giovanni Battista Carbone (1694-1750) und Domenico Capassi (1694-1736) kamen auf ihrem Weg nach Brasilien 1722 von Rom nach Lissabon, wo sie vom portugiesischen König aufgehalten wurden. Carbone gründete 1722 ein neues Observatorium in Lissabon und wurde in der Folge zum Königlichen Mathematiker ernannt. Capassi ging 1730 weiter nach Brasilien, wo er eine rege kartographische Tätigkeit entwickelte. Vgl. Udias, Augustin: Searching the Heavens and the Earth: The History of Jesuit Observatories. Dordrecht, Boston, London: Kluwer 2003, S. 33f.; vgl. auch die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen, Nr. I, 3. Januar 1726, S. 1.
  4. Guiseppe Campani (1635-1715) war ein bekannter römischer Optiker und Astronom.
  5. 30 römische Handbreiten, wobei eine Handbreit einem ¼ Fuß entsprach, somit die Länge des Teleskops also etwa 7½ Fuß.
  6. Das Aussehen der Tabelle wurde gegenüber dem Original geändert, der Inhalt ist unverändert.
  7. Gottfried Kirch (1639-1710) war um 1700 der bekannteste deutsche Astronom.
  8. gratificiren: belohnen, beschenken.
  9. Im Berliner Sternwarteninventar von 1725 ist unter den Tubis opticis an erster Stelle aufgeführt:
    "Ein Tubus deßen Gläßer von Joseph Campani verfertiget mit 3 Ocularen 18 Schue lang, mann aber nur ein Ocular gebrauchet wird, 16 Schu lang die Röhre liegt oben auf den Altan auf einem Stativ, die Gläser werden unten verwahrt."
    Vgl. Hamel, Jürgen: Die Instrumente der Berliner Sternwarte, 1700 bis um 1780. In: Hamel, Jürgen (Hrsg.): Gottfried Kirch (1639-1710) und die Berliner Astronomie im 18. Jahrhundert. Frankfurt a.M.: Harri Deutsch 2010, S. 65-111, hier S. 96.
  10. Vgl. dazu auch Doppelmayrs Brief an Kirch vom 19. Dezember 1726. Johann Beyer (1673-1751) brachte heraus:
    - Beschreibung einer Himmels-und Erd-Kugel von einer gantz neuen Invention, darinn die Sternen und deren Bilder nicht verkehrt, sondern recht natürlich zu sehen und zu erlernen sind nebenst einem kurtzen doch deutlichen Unterricht von deren sonderbaren Nutzen und wie sie sollen gebrauchet werden. Hamburg: König 1718. Neuauflage Hamburg 1730.
    - Ausführliche Beschreibung Eines Neuen globi terrestris, Oder Erd-Kugel: Welcher Nach der neuesten und besten Eintheilung der Geographie itziger Zeit eingerichtet nebenst einem kurtzen und deutlichen Unterricht Von der Eintheilung, Nutzen und Gebrauch dieses Globi. Hamburg: König 1722.
  11. Mit Brief vom 20. Dezember 1724 hatte Doppelmayr Kirch um Auskunft über dessen Vater sowie über Johann Jacob Zimmermann (1642-1693) gebeten.
  12. Nach der Statue von Gottfried Leygebe (1630-1683) hatte sich Doppelmayr bereits im Brief vom 22. Juli 1724 erkundigt.
  13. Dörffel, Georg Samuel (1643-1688): Astronomische Betrachtung des grossen Cometen / welcher im ausgehenden 1680. und angehenden 1681. Jahre höchstverwunderlich und entsetzlich erschienen: Dessen zu Plauen im Voigtlande angestellte tägl. Observationes, Nebenst etl. sonderbahren Fragen u. neuen Denckwürdigkeiten / sonderl. von Verbesserung d. Hevelischen theoriae cometarum, ans Liecht stellet M. G. S. D. Plauen: Johann Christian Meise 1681.
  14. Magister Georg Samuel Dörffel.
  15. Einen Catalogus von Nordscheinen zur Historia Aurorae borealis dienlich hat Kirch handschriftlich verfasst. Er umfasst die Jahre 502 bis 1735 und liegt in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Dieser Katalog wurde erst 1996 von Wilfried Schröder veröffentlicht:
    Schröder, Wilfried (Hrsg.): Catalogue of Arorae Borealis (502 to 1735). Bremen: Science Edition 1996.
  16. Wie den vorangegangenen Briefen von Doppelmayr an Kirch vom 22. Juli 1724, 22. September 1724 und 20. Dezember 1724 war diesem Brief mit Bitte um Weiterleitung ein Brief an Goldbach beigelegt.