Briefwechsel Georg Moritz Lowitz


Kurzinformation zum Brief  
Autor Lowitz, Georg Moritz (1722-1774)
Empfänger Promemoria
Ort Göttingen
Datum 12. Mai 1764
Signatur Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2, Scan 439-441
Transkription Hans Gaab, Fürth

praes. d. 12. May
1764

P: M.[1]

Die bekanndte Pasquillen Sache beruhet gegenwärtig auf meiner Seite noch lange nicht darauf, daß meine Defensons Schrift zu denen Acten gebracht werde


Da die Acten noch nicht completirt, und mir die noch fehlenden allernöthigsten, zu meiner Defension nothwendig erforderlichen Stücke noch nicht abschriftlich mitgetheilet sind: so war ich bis hieher gehindert, Anstalten zur Abhörung meiner Defensional Zeugen zu machen. Ich beziehe mich dieser Ursachen wegen theils auf meine eigene, beÿ denen Acten sub nro. 57. 58. und 63. liegende Schriften, theils aber auch auf die gerichtliche Protocolle sub nro. 61. 62. und dem noch unbezeichneten vom 30. Jenner 1764. Fürnehmlich aber auf das 9. Cap. der Königl. Criminal-Instruction, die im 10. §.; nicht eher von der Defensions-Schrift handelt, als bis sie vorher im 7. 8. u. 9. § das nöthige von denen Defensional-Zeugen bestimmet hat.

Der hochlöbl. Deputation kann es nicht unbekannt seÿn, daß ich den größten Theil der Stallmeisterlichen[2] Anzeigen, wegen ihrer Dunckelheit, und wegen Mangel der angegebenen Umstände, und Gelegenheiten, durch Zeugen erläutern, und vernichten muß: welches mir ohne diese, sehr schwer fallen würde. Auf diese Umstände hätte die hochlöbl. Deputation beÿ Annehmung derselben Anzeigen zum Voraus sehen sollen: Zumahl da der Stallmeister ausdrücklich schrieb: "Und sich beÿ verschiedenen Gelegenheiten gegen dieselbe folgender Ausdrücke bedienet."[3]

Diese Gelegenheiten, ja Zeiten und Oerter, wie auch die Ursachen, die mit allem Fleiße ausgelaßen zu seÿn scheinen, müßen diese Fragmente von Discoursen in ihr wahres Licht setzen, und die Bosheit des Denunciantens erweisen. Der 6.te § des 4.ten Cap. der Königl. Criminal-Instruction

73.[4]

[Bl. 1v]
redet hievon als

  der Denunciante muß die Denunciation auf ein oder mehr gewiße Verbrechen, auch in Ansehung der Zeit, des Orts, und wie die That geschehen, wer dabeÿ gewesen, oder sonst Wißenschaft davon habe? p dergestalt umständlich einrichten, als ihn nach Beschaffenheit der Sachen nur immer möglich ist, sintemahlen ohne solche höchstnöthige Anzeigung der Zeit, des Orts pp und anderer Umstände, der Beschuldigte sich nicht füglich defendiren, noch den Angaben einer solchen Bezüchtigung überführen kann.

Denn es sind verschiedene, und zwar die am gefährlichst scheinenden Anzeigen beÿ solchen Gelegenheiten gesprochen worden, wo man gantz gewiß weder an den Stallmeister, noch an die Pasquille hat dencken können.

Ferner wird noch unvergeßen seÿn, daß ich mich erklärt habe: ich werde sobald, als mir die hiesigen Acten gäntzlich mitgetheilet sind /: davon ich aber noch nicht überzeugt bin :/ mit einer neuen Vorstellung an die Königl. Landes Regierung um die berufenen dringende Vorstellung der Hofräthe Aÿrer[5] und Michaelis[6], wie auch um die rechtlichen Bedencken, einkommen; um mir selbige unterthänigst zu erbitten. Dieses ist würcklich schon am 30. April in einer weitläuftigen Schrift geschehen, und ich habe noch keine Resolution darüber erhalten: so wie ich auch nicht weiß, ob nicht unterdeßen etwas davon an die Hochlöbl. Deputation, die mich öfters selbst dorthin verwiesen hat, zuruck gekommen ist?[7]

Eine unpattheÿische Erwägung dieser recht gedachten wahren Umstände meines Theiles beÿ diesem mir verhaßten Prozeß werden die hochlöbl. Deputation überzeugen, daß mir so lange noch kein Termin zur Einbringung meiner Defensions-Schrift gesetzt werden kann: als bis erst die Streitigkeit, wegen der mir mitzutheilenden, und von meiner Defension unzertrennlichen Actenstücken, geendet, und darauf meine Defensional Zeugen völlig und ordentlich abgehöret sind. Mithin kann mich das mir gestern unterm 28. April u. 11. Maÿ insinuirte[8] Decret noch zur Zeit zu nichts verbinden.[9] Deswegen ich auch hiemit auf das feÿerlichste dagegen protestiren will.

[Bl. 2r]
Es wird gewiß niemand zweifeln, daß mir selbst an der Endigung dieses Prozeßes unendlich viel gelegen ist: ja ich würde lieber mein Leben verliehren, als selbst den Fortgang deßelben eine unnöthige Hinderniß in den Weg zu legen. Vielmehr kränket es mich auf das heftigste, daß mir vom October des vorigen Jahres an, bis hieher, so viele und harte Schwürigkeiten gemacht worden sind. Nach deren verhofften glücklichen Überwindung, muß ich ohnedem darauf bedacht seÿ, meine Defensional-Schrift abzufaßen, und denen Acten beÿzulegen.

Damit ich nun zu dieser Absicht auf die billigste, und gerechteste Art gelangen könne: so protestire ich hiemit gegen alle Hinderniße: gegen alle Uebereilungen, und insbesondere gegen alle und jede Gewaltthäthigkeiten in dieser Sache, auf das feÿerlichste: und behalte ich mir zu gleicher Zeit alle mögliche, in göttlichen, und menschlichen Rechten gegründete meiner Person, und meinen Umständen zustehende, und zukommende Rechtswohlthaten bevor, damit ich sie mir zu jeder Zeit, und beÿ jeder Gelegenheit zu Nutze machen darf.       Göttingen den 12. Maÿ 1764.

Georg Moritz Lowitz



Fußnoten

  1. P.M.: Pro Memoria, zur Erinnerung.
  2. Johann Heinrich Ayrer (1732-1817) war seit 1760 Stallmeister in Göttingen, wobei er den Rang eines ausserordentlichen Professors hatte. Vgl.:
    Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 162, Fußnote 1075.
  3. Vgl. die Anzeige des Stallmeisters gegen Lowitz vom 22.04.1763.
  4. Aktennummer im Pasquillenprozess.
  5. Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
  6. Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
  7. Die Landesregierung hat am 10.05.1764 mit einem Schreiben an die Deputation und einem Schreiben an Lowitz geantwortet. Diese Schreiben waren Lowitz offensichtlich noch unbekannt.
  8. Insinuirt: eingeliefert.
  9. Bereits am 25. (nicht am 28.) April hatte die Deputation beschlossen, dass Lowitz innerhalb von drei Wochen seine Defension einzureichen habe, doch wurde dieser Beschluss Lowitz erst am 11. Mai bekannt gemacht, nachdem am Tag vorher von Hannover die Anweisung eingetroffen war, Lowitz eine endgültige Frist für die Abgabe seiner Defension zu setzen, Universitätsarchiv Göttingen: D-23-9-2: Scan 355.