Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
| Kurzinformation zum Brief | Zum Original | 
| Autor | Lowitz, Georg Moritz (1722-1774) | 
| Empfänger | Balck, Heinrich Eberhard (1705-1769)[1] | 
| Ort | Hannover | 
| Datum | 2. September 1765 | 
| Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 134r-149r | 
| Transkription | Hans Gaab, Fürth | 
Nr. 24 pr. 2. Sept: 1765.
	Balck.
Königlich Groß Britannische zur Chur=
	fürstlichen Braunschweig-Lüneburgischen Re-
	gierung Hochverordnete Herren Geheimte Räthe.
	
	Hochgebohrne FreÿHerren
	gnädigste und Hochgebietende Herren !
Ew: Hochgebohrnen Excellentzien wundern sich nicht, daß ich mich unterfange, um meiner Sache willen, die höchst Dero äußerstes Mißfallen auf die gerechteste Art verdienet, abermahls mein[e] unterthänigste Vorstellung einzureichen. So unwürdig und niedrig auch der Gegenstand dieser unangenehmen Sache ist, und so nahe Sie auch ihrem Ende zu seÿn scheinet;[2] So verdienet solche dennoch, wegen ihrer außerordentlichen Beschaffenheit, und wegen deren wichtigen Folgen, vor deren Endigung, alle mögliche aufmercksamkeit und Überlegung. Es ist diese der schon seit dritthalb Jahren in Göttingen beÿ der Georg-Augustus-Universitaet daurende verhaßte Pasquillen=Process,[3] der mich nicht allein um Ew. Hochgebohrnen Excellentzien höchste Gnade: um die Gesundheit meines Leibes: um meine Gemüthsruhe: sondern auch, welches mir das Beste und Liebste in der Welt ist, um meine Ehre und um meinen guten Nahmen gebracht hat !
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien haben in einen höchst zu verehrenden Rescripto an die Universitaets Deputation in Göttingen, vom 10ten Maÿ 1764. zu befehlen geruhet, mir eine kurtze peremtorische[4]
[Bl. 134v]
	Frist, zur Einbringung meiner Defensions-Schrifft
	zu bestimmen; in einen Decreto von
	eben diesem Dato aber mir die Mittheilung derer,
	zu denen Acten gehörigen vornehmsten
	und wichtigsten Stücke, nemlich: die beÿden
	Rechtlichen=Gutachten,[5] und die Gerichtlich rubricirten
	dringenden Vorstellungen derer Hoff=Räthe
	Aÿrer[6] und 
		Michaelis[7] die sämtlich nach
	aller Rechtsgelehrten ihren Erkenntnißen Haupttheile
	dieser Pasquill-acten sind, auf daß ungnädigste
	abgeschlagen, und mir dadurch den 
	Weg zu meiner gründlichen Defension und
	aufsuchung meiner so boßhafften Feinde mit
	Gewalt versperret. Denn da ich ohne dieselben
	meine Feinde nicht leichte rechtlich verfolgen,
	und sie zur gerechten genugthung zwingen
	kan; So ist es mir unmöglich von meiner
	Forderung abzustehen: sondern ich muß solche
	nach dem wege Rechtens so weit suchen, als
	es die Gesetze Erlauben. Der HoffRath Meister
	giebt mir im zweÿten theile seiner Einleitung
	in den Peinlichen Process[8] § 51. selbst das Recht
	dieses zu fordern, wenn Er also schreibt:
|  ....... findet der Defensor die Acten unvollständig,
			so muß er auf die Ersetzung der mangelnden Stücke
			dringen; hat der Richter unbefugter Weise einige Blätter
			verschloßen, welches bisweilen geschiehet, so ist er verbunden
			sie eröffnen zu laßen. Thoenicker C. S. S. 19[9]  | 
	
Ich will den schon einmahl geführten Beweiß, der nunmehr durch die Gnade Ew: Hochgebohrnen Excellentzien wieder mein Hoffen zu denen Acten gekommen ist, hier nicht wiederholen: sondern nur so viel anführen, daß die Entschuldigungen; die Rechts=
[Bl. 135r]
	gutachten, wären nicht partes Actorum geworden,
	und hätten nur bloß zur Information
	einer berühmten Universitaet gedienet; ferner
	die dringenden Vorstellungen derer Hoff=Räthe
	Ayrer und Michaelis wären nur privat briefe
	deren communication niemand verlangen kan, 
	mehr für als wieder mich sind. Denn daraus
	würde erhellen, daß man Bedencken träget,
	die Vorschrifft des gantzen verfahrens, und den
	grund derselben, worauf sich die damit gesendeten
	Königl. Regierungs Rescripta so wohl als alle die
	wichtigsten Registraturen in den Pasquill Acten
	beziehen, und worauf auch die Richter selbst stets
	beÿ mir und andern Personen mündlich sich gestützet,
	daß sie keinen Schritt ohne diese Rechtsgutachten
	gethan haben, einsehen und beurtheilen 
	zu laßen. Es scheinet daraus, daß diese Rechtliche
	Bedencken auf verschiedene privat Briefe, und
	insbesondere das Letztere von diesen, auf die so 
	berüchtigten dringenden Vorstellungen derer Hoff=Räthe
	Ayrer und Michaelis begründet sind, die
	solche wichtige Unwahrheiten und Verschwärtzungen
	in sich enthalten müßen, welche den Verfaßer
	dieser Rechtsgutachten, und auch selbst Ew: Hochgebohrnen
	Excellentzien davon überzeugen solten, daß
	ich ein Mensch von bösen Leumuth; ein Mann zu
	dem man sich der That versehen könne, u. d. g.
	seÿn. Die mir erst am 15ten Maÿ dieses Jahres
	laut der Vidimation[10] 
		des Profess. Riccius[11] mitgetheilten
	Königl. Regierungs Rescripta in dieser
	Sache, an die Universitaets Deputation, und unter andern
	das Post Scriptum 
		vom 10ten Maÿ 1764. überzeuget
	mich vollkommen davon, indem Ew: Hochgebohrnen
	Excellentzien folgender Gestalt sich auszudrücken geruhet haben:
| auch günstige gute Freunde haben Wir um | |
| [Bl. 135v] | |
| alle Gelegenheit zu queruliren zu benehmen zwar nach Innhalt der den Profess. Lowitz ertheilten Resolution verstattet, daß dem Profess. Lowitz von denen Vorstellungen der HoffRäthe Ayrer und Michaelis extractus, mitgetheilet werden könne. Es ist aber aus denselbigen, wie Ihr selbst Ermeßen würdet, alles dasjenige was darinnen anzügliches enthalten, oder zu seiner Wißenschaft zu bringen unvonnöthen ist, um desto mehr weg zu laßen, da diese Vorstellungen eigentlich privat Briefe sind, deren Communication niemand verlangen kan. Ut in Rescripto[12] | |
Dieses P.S. gantz alleine überzeuget schon einen jeden, daß in denen dringenden Vorstellungen würckliche anzüglichkeiten enthalten sind, und daß auf sie das Rechtsgutachten welches mit dem Königl. Regierungs Rescripte vom 22ten August 1763 an die Universitaets Deputation
zum Behuef des weitern Verfahrens
gesendet worden, muß gegründet seÿn. Denn die dringenden Vorstellungen sind am 20ten Junii geschrieben worden.[13] Die Einrichtung der Registraturen und übrigen Beschaffenheiten der gantzen Gerichtlichen Acten beweisen also, es seÿe das gantze Verfahren der Deputation beÿ diesem processe in denen besagten Rechtsgutachten, die doch nun mehr gäntzlich unterdrückt werden wollen, vorgeschrieben. Allein es ist unmöglich zu glauben, daß meine Richter als so vorzüglich berühmte Leute, die sich Lichter und Lehrer der Welt nennen; die gantze Quartanten[14] vom Criminal-Processe schreiben; die das Heil. Römische-Reich überreden wollen, ein Römischer König müße, ob er schon einmahl gecrönet ist, wenn er Kaÿser wird, noch einmahl
[Bl. 136r]
	gecrönet werden, u.s.w. daß, sage ich, diese
	berühmten Männer einer Vorschrift solten
	gefolget sein, die so offenbahr wieder die Peinliche
	Halß-Gerichts Ordnung Caroli V, und noch
	mehr wieder die Königl. Criminal Instruction
	lauffe, welche letztere ich nur für die eintzige
	und wahre Vorschrift der unpartheÿischen Justitz
	pflege und für die Observanz beÿ denen Königl.
	Chur Hannöverischen Gerichten zu halten und zu
	Erkennen schuldig bin. Es sind also diese Rechtlichen
	Bedencken entweder nicht denen Gesetzen
	gemäße abgefaßet, oder die Universitaets Deputation
	hat denen darinnen enthaltenen Vorschrifften
	gantz und gar nicht gefolget. Das Erstere
	ist unmöglich zu vermuthen. Das Letztere
	aber ists was man zu glauben gezwungen
	wird, so bald man nur die Pasquillen Acten mit
	flüchtigen Augen durchgewandert hat. Es komt
	also in meiner künftigen Defension nicht so
	wohl auf den Beweiß meiner reinen Unschuld
	an: sondern vielmehr darauf, die Gottlose und
	straffenswürdige Bosheit, meiner wieder mich
	verschworenen Feinde zu entdecken: das ungerechte
	Partheÿische und ungetreue Verfahren
	der Universitaets Deputation gegen mich zu entwickeln;
	die sämtlichen Nullitaeten[15] dieses Processes
	auseinander zu setzen und den Quellen
	derselben nach zu spühren: insbesondere aber die
	Actio de Syndicatu contra judicem[16] zu begründen.
	Denn ich bekümmere mich wenig darum, von einem
	so elenden Verdacht den meine Feinde
	gegen mich erreget haben los gesprochen zu werden;
	da gewiß kein eintziger vernünfftiger
	Mensch der mich Persönlich kennet, und keiner der
	die Anzeigen gelesen hat, den geringsten Argwohn
[Bl. 136v]
	gegen mich in seinem Hertzen faßen werde:
	denn in diesen Betracht könte ich getrost die
	Acten so wie sie da liegen von meinen Richtern
	zum Spruch Rechtens verschicken laßen: und
	von dem ausfallenden Urtheile bin ich schon
	verschiedentlich überzeuget. Aber darum bekümmere
	ich mich Ew: Hochgebohrnen Excellentzien
	Einestheils dasjenige Ungeheuer in
	Göttingen kuntbar zu machen, welches einen
	jeden Ehrlichen Mann der sich nicht mit Füßen
	untertreten läßet, auf das grausamste verfolget
	und unter dem Schein des Rechtes in
	das gröste Unglück zu stürzen immer fort
	bereitet ist: Anderntheils aber, zu beweisen,
	daß meinen Richtern gantz und gar nicht daran
	gelegen war, den Verfaßer derer unwürdigen
	Schand Schrifften zu entdecken: sondern
	vielmehr nur mich ex officio zu beschimpfen
	und zu Reitzen, meinen Abschied aus
	Göttingen zu nehmen, damit sie ihre Absichten
	in Gesellschaft meiner Feinde erreichen können.
	Denn ich bin verschiedenen von ihnen schon lange
	ein Dorn in dem Fuße gewesen. Fürnemlich
	bin ich gezwungen mathematice
	zu beweisen daß die Wahrscheinlichkeit sehr groß
	ist, es seÿen alle bis jetzt noch fortdaurende
	Pasquillen selbst aus dem Mittel der beim
	Anfange diese Unfuges bestandenen Richtern
	hergefloßen: oder doch zum wenigsten daraus
	veranstaltet worden. Das sind in der That, sehr
	harte Beschuldigungen gegen Männer, welche
[Bl. 137r]
	das unendlich große Glück sich zu erwerben
	wusten, Ew. Hochgebohrnen Excellentzien gnädigstes 
	zutrauen sich rühmen zu dürffen.
	Allein was kan ich dafür, daß sich die Sache
	würcklich also verhält ! Warum haben meine
	verblendeten Feinde theils aus übereilung,
	und theils aus zuversicht daß diese Sache nicht
	so weit kommen werde als sie gekommen ist,
	mich so weit getrieben ? Warum haben sie nicht 
	alle Regeln der falschen Klugheit angewendet,
	ihre Handlungen stärcker zu übertünchen; und
	alles aus dem Wege zu Räumen, welches die Ursache
	derselben verrathen konte ? Warum haben
	sie endlich nicht eine noch stärckere Mauer davor
	gebauet, damit das Licht der Wahrheit nicht
	darauf zu dringen vermögend gewesen wäre ?
	Meine Feinde haben sich also alles selbst zuzuschreiben
	was auch für Folgen daraus entstehen
	werden. Denn da ich in diesen Processe alle mögliche
	Beschimpfungen und Mißhandlungen, dergleichen
	gewiß noch niemahls einem Königl. Bedienten
	ist angethan und erwiesen worden, auf
	Ew. Hochgebohrnen Excellentzien Verfügungen
	geduldig und gelaßen ausgehalten habe; und da
	meine Feinde wie die Acten zeigen, überflüßig
	weitläuftig auch immerfort und sehr lange sind
	gehöret worden; so können Ew: Hochgebohrnen
	Excellentzien unmöglich so ungnädig seÿn, und
	mich nicht auch eben so lange, und eben so umständlich
	und genugsam anzuhören. Meine Feinde haben
	ihre Zeugen beeÿdigen und mit mir confrontiren
	laßen. Jetzt ist die Reÿhe an mir, daß ich
	auch Zeugen wieder sie, aber keine so niedrige
	creaturen; sondern Männer ihres gleichen dem 
	stande nach: ja sie selbst zu meiner Defension
	aufführen und eÿdlich abhören laßen darf.
[Bl. 137v]
	Ew. Hochgebohrnen Excellentzien sind, wie es
	durchaus die Pasquillen Acten zeigen, theils
	durch die mit feindseeligen vergalleten Gemüthe
	abgefaßten falschen Partheÿischen und ungetreuen
	Berichten der Universitaets Deputation
	/: doch ich wil diesen Ehrwürdigen Nahmen,
	beÿ benennung meiner rasenden Feinde
	und ihren Helffers Helffern nicht mehr mißbrauchen
	und beschimpfen :/ und derer dringenden
	Vorstellungen der Hoff=Räthe Ayrer und
	Michaelis gegen meine Persohn dergestalt
	praeoccupiret worden, daß Hochdieselben
	für gut befunden haben, mir die zwar unjuristisch
	aber doch deutlich erbetene Defension
	pro avertenda[17] inquisitionis specialis,
	wie auch ferner die Commission wegen meines
	gleichfalls unjuristisch eingewendeten Verdachts
	gegen meine Richter, auf das ungnädigste
	abzuschlagen; und mich dadurch gezwungen,
	in einen Process einzutreten, darinnen
	ich mich ohne alle Gnade und Barmherzigkeit
	von meinen verschworenen Feinden
	recht nach ihres Hertzens Wunsch und Lust
	mißhandeln laßen muste. Wenigstens
	suchten diese, so öffentlich unruhigen Köpfe
	durch das ungestühme wiederrechtliche Zudringen
	an Ew. Hochgebohrnen Excellentzien,
	zu wiederholten mahlen, Vorstellungen zu
	thun, mir, ohne mich zu hören, /: denn man hat
	mich bis hieher noch nicht gehört :/ das purgatorium[18]
	an zu befehlen, und damit dem Verfahren
	meiner Feinde einen Schein des Rechtes
	zu geben, und mich wenigstens dadurch zu
	beschimpfen, daß sie alsdenn sagen könten, ich hätte
	mich loß geschworen, weil ich mich nicht Defendiren
	kan. Ferner auch darum damit mir die Eingefä-
[Bl. 138r]
	delte Bosheit meiner Feinde unbekandt
	bleiben solte, auf daß ich ihnen am Ende nicht
	zu Leibe gehen könte. Denn sie sahen sehr geschwinde
	ein, daß sie so wohl an Ew. Hochgebohrnen
	Excellentzien gerechte und langmüthige
	auch gnädige Richter finden: als daß auch
	ich standhaft bleiben, und wegen meiner ihnen
	vorher schon selbst bekandt gewesenen
	Unschuld, vor einer Untersuchung nicht erschrecke
	die ich getrost aushalten wolte. Die Absicht
	meiner Feinde war, mich durch diese verläumderischen
	Anstalten beÿ Ew. Hochgebohrnen Excellentzien dergestalt verdächtig zu machen,
	um mir wenigstens in der ersten Hitze nichts 
	geringers als eine bekandte hällische beÿ Straffe
	des Stranges angekündigte schleunige Räumung
	des Landes zu wege zu bringen. Diese Absicht
	ist ihnen nicht allein zu Waßer, sondern
	auch selbst ihr Process dadurch so sehr verdorben
	worden, daß sie selbigen nicht mehr
	ins Geleiße bringen konnten. Aus dieser Quelle
	floßen alsdenn alle unschickliche und Rechtswiedrige
	Nullitaeten dieses Processes her, die
	nunmehr zur äußersten Verunglimpfung der
	hiesigen Königl. Justizpflege in denen Acten
	so offenbahr liegen, daß man solche mit den
	Händen greiffen kan.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien geruhen gnädigst diese harten Ausdrücke gegen meine Richter mir nicht als einen Mangel der Hochachtung gegen das judicum selbst, anzurechnen. Ich kenne die Pflichten eines Rechtschaffenen Mannes viel zu genau, als daß ich eine so niedrige gedenckungs Art äußern solte, wie diejenige
[Bl. 138v]
	wäre, wenn ich meine Richter mit ungrund
	da die Acten, welches ihre Arbeit ist, vor Augen
	liegen, so grober Fehler beschuldigen wolte.
	Ich kan das Gerichte von dem Richter, oder
	überhaupts, das Amt von seinem Verwalter
	sehr wohl unterscheiden. Ich bin dem Gerichte
	alle mögliche Hochachtung und Unterwerffung
	schuldig: und ich verehre auch daßelbe von Hertzens-Grunde.
	Denn durch die Hülfe des Gerichts
	muß ich in dieser verdrießlichen Sache zu meinem
	Rechte und zu meiner Genugthuung gelangen.
	Für den Richter aber kan man von mir keine
	größere Hochachtung fordern, als die der Beschaffenheit
	und richtigkeit seiner ausgeübten beschwornen
	Pflichten gemäß ist. Wenn derjenige
	eines strafbahren Mangels der Hochachtung
	gegen das Gericht zu beschuldigen wäre,
	welcher von dem Richter beweiset daß derselbe
	seinem Amte und seiner Pflicht kein Genüge
	geleistet habe; zumahl wenn er noch dazu durch
	ihn selbst in den Stand gesetzet wird es aus denen
	gerichtlich abgehandelten Acten außer
	Widerspruch zu setzen: wie viel straffälliger
	würde selbst der in Göttingen so genanndte
	große Criminaliste HoffRath Meister seÿn
	welcher ohngeachtet der guten Vermuthung,
	die ein Richter, aber nur im Zweiffel vor sich hat,
	daß er seinem Amte oder Pflicht ein Genüge
	geleistet habe, dennoch nicht nur von der möglichkeit,
	sondern gantz offenhertzig von der würcklichkeit
	solcher Richter im 2ten Theile 1 Sect,
[Bl. 139r]
	8 Cap: § 36.[19] seines Peinlichen processes
	mit trockenen Worten schreibet:
| Es beruffet sich zwar der Herr von Leijser[20] auf die Schuldigkeit des Richters alles dasjenige so dem Inquisiten zu statten komt, sorgfältig zu bemercken und gebrauch zu machen: allein umsonst. Der Richter ist ein Mensch; er kan sich also durch Affecten beherrschen laßen die dem Inquisiten zum größten nachtheil gereichen: Er kan ihm aus Bosheit die Mittel zur Vertheidigung abschneiden: er kann zu unwißend am Verstande zu schwach seÿn, die Vertheidigungsgründe, zu sammlen, ein zu sehen, zu gebrauchen. | |
| Der Einwurf: daß die Acten von dem Unterrichter an ein höheres Dicasterium[21] oder an auswärtige Rechts=Gelehrten zum Spruch gelangen, hebt die Sache nicht auf. Man räume ein, daß die künftigen Urtheiler aus lauter gründlichen Rechts=Gelehrten bestehen; werden diese wohl im Stande seÿn über die Unschuld des Inquisiten gehörig zu urtheilen, wenn der Unterrichter diejenigen gründe zur Defension, welche in facto vorhanden sind nicht zu den Acten gebracht hat ? | 
In eben diesem Thone spricht der HoffRath Meister in § 53. dieses zweÿten Theiles:
| Es ist nicht nur möglich, sondern es geschiehet auch öffters, daß die zu des Inquisiten Vertheidigung hauptsächlich dienende Umstände entweder gar nicht oder doch nur unvollständig in den Acten liegen. So wohl der Richter als der Beschuldigte können zu diesem Mangel ge- | |
| [Bl. 139v] | |
| legenheit geben. Jener kan aus unverstand oder bosheit sich nur um dasjenige bekümmern, so den Inquisiten beschweret; von welchen ungerechten Verfahren die Verhöre der Zeugen und des Beschuldigten nicht selten deutliche merkmahle geben. Er kan ferner die im Gerichte würklich vorgekommenen vor den Inquisiten vortheilhaffte Umstände nicht registriren laßen: er kan andere Nullitaeten begehen, davon aber in den Acten keine Spuhr zu finden ist p. | |
Daß ist eine vortreffliche Beschreibung meiner Richter ! Es ist nur schade daß der HoffRath Meister nicht an noch mehrere Vergehungen gedacht hat, die ich aus meinen Acten anzeigen werde. Er kan in Zukunft diese beÿden Absätze seines Criminahl Proceßes bei der zwoten auflage mercklich erweitern: zumahl da auch von mir ein eigenes Capitel von solchen vorzüglichen Eigenschafften eines würcklichen Actuarii,[22] aus eben diesen Acten, für meine Defension deduciret wird.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien glauben nicht, daß ich meinen Richtern, oder beßer meinen Feinden zu viel thue. Es liegen beÿ denen Pasquill Acten von mir schon so viele Schrifften, darinnen ich ihnen unterschiedliche Vergehungen wieder die allgemeinsten Gesetze, und wieder die Ordnung des Proceßes, vorrücken muste; welche sämtlich anzeigen daß sie die Gerichtlichen Handlungen entweder nach eigenen gefallen die ihren Absichten gemäße waren; oder aber aus Nachläßigkeit; oder gar wegen würcklichen Mangel deren Erkentniße also vorge-
[Bl. 140r]
	nommen haben. Es ist in der That eine
	wahre schande für meine Richter, daß sie sich
	beständig von einem der Rechten gäntzlich unerfahren
	Inquisiten musten erinnern; aufreiben;
	und zu Rechte weisen laßen. Und dennoch
	ist einer oder der andere von diesen
	Männern ein Beÿsitzer in der Hochlöbl. berühmten
	Juristen Facultaet !
Ich würde alle diese Beschaffenheiten der in Göttingen verhandelten Acten nicht eingesehen und bemercket haben, wenn sie mir nicht von berühmten Rechtsgelehrten wär[en] angezeiget, und Deductiones darüber mitgetheilet worden: die ich zu seiner zeit wenn es die Umstände erfordern, bekandt zu machen habe. Es ist auch nicht zu verlangen daß Ew. Hochgebohrnen Excellentzien sich in solchen confusen und weitläufftigen Acten umsehen solten, um das was ich wieder solche einzuwenden habe, selbst einzusehen. Noch unbilliger aber würde es seÿn, zu fordern, daß Ew. Hochgebohrnen Excellentzien mir unmittelbahren Glauben beÿmeßen solten. Da es nun aber an dem ist, daß ich meine Defension zu denen Acten bringen soll, und da mir die Rechte verstatten, nach der Criminal-Instruction Cap: 7, § 6.[23]
| dene Inquisitions Proceß ex Nullitatibus und befundenen unrechtmäßen verfahren anzufechten und zu disputiren ohne herbe und ungebührliche Antastung des Gerichts: | 
Da auch ferner die Acten so eingerichtet sind, daß daraus überall erscheinet als wenn das gantze verfahren in dieser Sache bloß allein von Ew. Hochgebohrnen Excellentzien vorgeschrieben und verfüget worden wäre: Mithin würden meine Feinde fortfahren, zumahl wenn die Rechtlichen Bedencken und die dringenden Vorstellungen länger zurück gehalten werden, sich hinter den Höchst verehrungswürdigen Nahmen Ew. Hochgebohrnen Excellen-
[Bl. 140v]
	tzien zu verstecken, um mir dadurch die Eröfnung des
	weges zur gerechtigkeit schwer zu machen. Deswegen
	hatte ich mir schon lange vorgenommen, aber meine
	und meiner Famillie langwierige Kranckheiten
	wie auch der Todt meiner Frau[24], hinderten mich bis jetzt,
	eine Reise hieher vorzunehmen, um alles anzuwenden,
	damit Ew: Hochgebohrnen Excellentzien von der gantzen
	Beschaffenheit in dieser Sache unterrichtet werden. 
	Zu gleicher Zeit wolte ich mir die Freÿheit nehmen
	Ew: Hochgebohrnen Excellentzien ohnmaßgebliche
	Vorschläge zu thun, wie in dieser unangenehmen
	Sache denen Rechten nach weiter zu verfahren wäre,
	damit dieser Proceß ein solches ende gewinnen, welches
	der Ehre Ew. Hochgebohrnen Excellentzien als Oberrichter
	in dieser Sache, gemäß seÿn wird. Ew: Hochgebohrnen
	Excellentzien waren so gnädig, nach meinen
	in dieser Sache mündlich gemachten Vortrag,
	mich an eine Persohn zu verweisen, die mich nicht allein
	gütiger aufnahm als ich zu vermuthen Ursache
	hatte, sondern sie ertheilte mir, nach dem Schluße
	meiner Erzählung derer Umstände, dene guten Rath
	alles in eine schrifftliche Vorstellung zu bringen, und
	solche unmittelbahr an Ew: Hochgebohrnen Excellentzien
	zu richten. Ich suche also darin nichts anders als den
	ungehinderten Lauf der Justiz: und ich  hoffe in den
	festesten vertrauen, das mir diese Gerechtigkeit
	nicht abgeschlagen werde ! Es wäre würcklich eines
	der grösten verbrechen, nur zu dencken, daß Ew:
	Hochgebohrne Excellentzien die Unschuld, welche sich
	unter der schwersten Last vieler auf ihr liegenden
	großen und mächtigen Feinden hervor zu wältzen
	bemühet, und unter dieser Last seuffzend erhalten 
	und dagegen der offenbahren Bosheit beÿ stehen sollen !
	Nein, daß ist von einer so weisen und gnädigen
	Regierung welche das Zutrauen unsers grösten und
	besten Königes in der Welt höchst würdig ist, nicht zu
	vermuthen. Die vielen und wichtigen Stattsbeschäftigun-
[Bl. 141r]
	gen und die glückseelige Regierung des Ruders
	am Regimente machet, das höchst dieselben keine
	Zeit übrig haben, solchen unangenehmen Streitigkeiten
	von dieser Art, einige aufmercksahmkeit zu
	widmen: ob schon die Ehre der hiesigen Justiz Pflege
	genau damit verbunden ist.
Nachdem ich nun die Beschaffenheit des Pasquillen Proceßes überhaupt vorgestellet habe, so leitet mich dieses auf meine darauf gebaueten gerechten Bitten: Die ich mir die unterthänige Freÿheit nehme zur gnädigsten Erhörung vor Ew: Hochgebohrnen Excellentzien zu bringen.
I
Das Hauptwesen von meiner Defension ist die Abhörung meiner Defensional Zeugen, welche verschiedene Dinge in denen eingegebenen Anzeigen theils wiederlegen, theils beßer Erläutern, und aus der Dunkelheit darine sie meine Feinde recht mit Vorsatz gestecket, ferner ziehen und ins helle Licht bringen müßen. Durch andere Zeugen sind Dinge zu den Acten zu bringen, die mit Fleiße sind heraus gelaßen worden, und die doch zur entdeckung meiner Unschuld dienen. Andere Zeugen müsten verschiedene Vorgänge beim Gerichte, die man nicht zu denen Acten gebracht hat, beweisen, u. d. m. Da nun alle diese anstalten unsren Theils meine Richter selbst angehen; und sie folglich alle Mühe anwenden würden um den Verdacht gegen mich, worauf sie so unbedachtsam mit der Special-Inquisition zu gefahren sind, in seiner Kraft zu erhalten damit sie sich mittelst demselben gegen die Verantwortung schützen können: so ist offenbahr, daß ich diesen Männern meine Defensional Articul überhaupt, noch viel weniger diejenigen, worauf die beiden wieder mich beEÿdigten Zeugen zu meiner Defension abgehöret werden müßen, nicht
[Bl. 141v]
	anvertrauen kan: ob schon die Rechte erlauben,
	daß ich einen beEÿdigten protocollisten für mich
	der Abhörung beÿfügen darf. Denn meine Richter
	verriethen ihre ungerechten und falschen Gesinnungen
	in diesen Puncte, schon längst in einen
	Berichte, welchen sie in der Civil-Sache, von dieser Pasquillen
	Sache ad Augustissimum[25]
	zu des Judicii äuserster
	verunglimpfung abgefaßet haben. Um dieser
	gerechten Ursache Willen werden Ew: Hochgebohrnen
	Excellentzien unterthänigst von mir gebethen:
| Zu seiner Zeit wenn die Defensional-Articul zu meiner deduction werden abgefaßet seÿn, in Göttingen eine Commission von zween oder mehrern Rechtschaffenen, derer Rechte Erfahrnen, und weder mit mir, noch mit meinen Feinden in einiger Verbindung stehenden Männern, nebst Beÿfügung eines geschickten protocollisten, mit zulaßung eines beÿ dem dortigen Gerichte immatriculirten und von mir bestellten Notarii, wiedersetzen, und durch diese Commission alles was ich nöthig haben werde, zu den Acten bringen zu laßen. | 
Ich erkläre mich zum voraus hiermit, daß die etwa dadurch verursachten Kosten, die ich nicht verlange daß sie dem Judicio zur Last fallen sollen, entweder nach geendigter Commission auf Ew: Hochgebohrnen Excellentzien Ober=Richterliches Ermessen zu bezahlen, oder zum voraus mir zu bestimmende Summe wohin es verlanget wird, zu deponiren.[26] Da nach der Königl. Criminal-Instruction die Inquisitionen zu allen Zeiten von dem Unter=Gerichten ab, und an die Königl. Justitz Cantzeleÿ gezogen werden können: und da dieser Proceß schon so weit geendet ist, daß der Unter=
[Bl. 142r]
	Richter nichts mehr in dieser Sache zu thun hat, als
	künftig einmahl die Urthel[27]
 	zu publiciren: über
	dieses auch nur einige Hülfs Mittel zu denen Acten
	durch den Weg der Commission zu bringen sind. So ist nicht
	zu vermuthen, daß Ew. Hochgebohrne Excellentzien
	in der gnädigsten Gewehrung dieser
	gerechten Bitte einigen Anstand nehmen werden.
	Es hat die Universitaets Deputation ohnehin in
	dieser gantzen Sache wie die Acten zeigen, bald
	als Richter, bald als Commissarius, bald aber als
	keines von beiden gehandelt.
II.
Als ich beÿ meinen ersten Verhöre auf Articul vernommen wurde /: es war dieses kein summarisches Verhör,[28] wie daß elende und falsche sub Nro 33 liegende protocoll vom 23ten August 1763. eingerichtet ist: denn ich bin von Articul zu Articul die mir der damahlige Prorector Magnificus von Papiere vorlaß befraget worden :/ so erwehnten die Richter unter andern den Verdacht der aus denen Anzeigen blicken soll, als hätte ich dadurch die Köchin des Stallmeisters aus deßen Dienste zu bringen gesucht.[29] Auf dieses, antwortete ich, das dieser Verdacht deswegen ungegründet, ja unendlich lächerlich wäre; weil dieselbe Köchin auf so vielerleÿ Arten mit meiner Frau und mit mir verbunden ist, daß wenn ich es erzählen darf, die Richter selbst zuerst darüber Lachen werden. Der Hoff=Rath Meister verlanget es zu wißen. Ich Erzählte darauf, nur diejenigen Umstände die zur Erläuterung der Sache nothwendig schienen nemlich: daß dieses Mädgen an uns ihre einzigen guten Freunde habe; daß sie schon verschiedene Jahre Jahre beÿ uns diente; und daß sie würcklich schon wieder im damahls vorigen Octobr: Monath 1762 dieses Verhör auf Articul, geschahe am 23. August 1763. zu meiner
[Bl. 142v]
	Frau als ihre künfftige Haushälterin vermiethet ist,
	das mieth Geld darüber in den Händen habe; und
	auf künfftiges Michaelis würcklich ihren Dienst
	antreten wird. Der HoffRath Meister sagte das ist
	nicht möglich; denn die Köchin hat anders gesagt.
	Ich wunderte mich darüber und bath die Richter inständigst,
	daß sie diese Sache also bald mit untersuchen
	solten, nachdem ich ihnen alle nöthigen Erläuterungen
	darüber gegeben hatte. Der Herr HoffRath
	Meister schlug es mir mit dem mündlichen Bescheide
	ab: es wäre dieses eine Civil Sache, und sie
	gehörte nicht zum Peinlichen Proceße. Ich möchte
	also darüber nur mit einer Civil Klage einkommen:
	so würde diese Sache auf denselben Wege
	untersuchet und entschieden werden. Von dieser
	Unterredung befinden sich zum Glücke für
	mich, einige unverständliche und verdunckelte
	Spuhren indem mit unrecht so genandten Summarischen
	Verhöre vom 23ten August 1763. Ich
	überreichte also auf Befehle meiner Richter, dem
	damahligen Herrn Prorector, welches der HoffRath
	Pütter[30]
		war, am 3ten Sept: 1763. die mir aufgetragene
	Klage, und zum Überfluß stelte ich Ihm
	zu seiner nähern Belerung, die für meinen
	Advocaten[31] zur verfertigung dieser Klag=Schrifft
	von mir aufgesetzte Species-Facti zu, die der
	HofRath Bitter[32]
		nachher mittelst einer überschrift
	von seiner eigenen Hand ex officia zu denen
	Pasquill Acten sub Nro 37. geleget hat. Zu dieser
	Species-Facti ist nur so viel von der Verbindung
	dieses Mädgens mit meinem Hause ausgeführet
	als nöthig zu sein schiene die beÿden Fragen 
	zu entscheiden: 1.) Ob diese Köchin schon zu Ende
	des Octobris vorigen Jahres, da sie noch nicht vier Wochen
	aus unserem Dienste in des Stallmeisters
	diensten gestanden, als Haushälterin von meiner
[Bl. 143r]
	Frau gemiethet gewesen ist ? und 2.) Ob diese
	Köchin schuldig und gehalten ist, künftigen Michaelis
	als dem auf die Klage folgenden, 29ten Sept:
	ihrer Verbindung nach wieder zu uns in den Dienst
	zu treten. Denn es war also bald einzusehen, das
	meine Feinde diesen gantzen Pasquillen Unfug blos
	deswegen veranstaltet und fortgesetzet haben, um
	die ihnen nicht unbekandt gewesenen Verbindung[en]
	dieser Köchin mit meinem Hause zu zerreisen, und
	uns dadurch selbst in Feindschaft gegen einander
	zu setzen. Gleich wie nun an allen Orten wo ich
	je gewesen bin, dergleichen Klage als eine Policeÿsache
	angesehen, und stehenden Fußes summarisch
	vor der Schrancke in denen Policeÿ=amtern entschieden
	wird, so machten vielmehr meine Richter
	einen weitläuftigen und Zeit und Geld versplitternden
	Proceß daraus, deßen Ende man zum
	grösten Verdruß und Schaden meiner frau
	nicht sehen konte. Selbst dieser Umstand beweiset
	die partheiligkeit meiner Richter denen Absichten
	meiner Feinde auf alle mögliche Arten zu Hülfe
	zu kommen, und beÿ zu stehen. Der HoffRath
	Bitter rieth meiner Frau, die ihn Persöhnlich um
	Rath fragte sie solte der beklagten Köchin lieber
	Eyde deferiren[33], welches kürtzer ginge, als das
	was die Köchin ableugnete, durch Zeugen zu erweisen.
	Dieser gut scheinende Rath, wurde befolget:
	und erst nach verschiedenen und beschwerlichen
	verlängerungen folgte endlich am 15ten Nov: 1763
	ein Decret von der Universitaets Deputation dessen
	Inhalts:
| daß gegenwärtige Civil-Klage bis zur Endigung der Pasquillen Sache als causae criminalis et praejudicialis,[34] in suspenso[35] zulaßen seÿ, worauf sodenn in derselben p. | 
Hierauf wurde ad Augustissimum Appelliret,
[Bl. 143v]
	und ohne mich weiter auf etwas mehr Erläuterndes
	als was zur Entscheidung der Haupt=Frage
	gehöret, einzulaßen, erfolgte auch von daher
	auf meine, allen andern oben schon characterisirten
	berichten der Pasquillen Sache, ähnlichen  Bericht
	der Deputation, für die allerunterthänigst nachgesuchte
	reformation dieses Decretes, eine verweigerung.
	Da nun die Acten dieses Proceßes
	allen Umständen nach von denen Pasquillen Acten
	unzertrennlich sind, so hat die Deputation mir schon
	öffters privatim zugesaget, /: wie ich mich auch
	einige mahle in meinen eingereichten Exhibitis
	die beÿ denen Pasquill Acten liegen, auf
	diese Zusage beruffen habe :/ daß sie denen letzteren	
	sollen beÿgeleget werden, insonderheit
	aber hat mich dieses Gericht deswegen öffentlich
	in einem Decreto 
	vom 5ten Novembr. 
	1764[36] welches
	beÿ denen Pasquill Acten anzutreffen ist
	an Ew: Hochgebohrne Excellentzien mit folgender 
	Resolution verwiesen:
| Was hiernächst deßelben Gesuch wegen herbeÿ schaffung der Acten seiner wieder den Stallmeister Aÿrer und die Beckerin erhobenen Civil-Klage anbetrift, in welcher derselbe ad Augustissimum adpelliret, und deren zurücksendung hat derselbe beÿ Königl. Landes=Regierung selbst gebührend nach zusuchen. | 
In Betracht das diese Acten schon selbst von dem mir aufgebürdeten Verdacht mich befreÿen, und mir also zu meiner Defension sehr viel an denenselben gelegen ist; so werden Ew. Hochgebohrne Excellentzien unterthänigst von mir angeflehet !
| diese besagten, Lowitz contra Ayrer et consorten rubricirten Acten aufsuchen, | |
| [Bl. 144r] | |
| und denen in Göttingen vorhandenen Pasquill Acten beilegen; mir aber durch die Universitaets-Deputation in Göttingen, oder anders woher, die Art dieser Beÿlegung anzeigen zu laßen; damit ich mich in meiner künftigen deduction zur bequemlichkeit des künftigen Referentens, Richtig darauf beziehen könne. | |
III.
Aus denen oben und auch schon anderswo in Actis angeführten gründen ist klahr, daß die Eröffnung derer übrigen noch zurück behaltenen Acten Stücke des Pasquill Proceßes, als nemlich: die beÿden mit Königl. Regierungs Rescripten an die Universitaets Deputation gesendeten Rechtsgutachten, wie auch die beÿden dringenden Vorstellungen derer HofRäthe Ayrer und Michaelis, welche theils die gründe des Verfahrens, theils aber die auf diese gründe gebaueten Vorschrifften des Verfahrens in sich enthalten, der Gerechtigkeit gemäß ist: Daher ohne mercklichen Nachtheil der Ehre des Judicii nicht länger verschloßen bleiben können, deswegen nehme ich mir um dieser wichtigen Ursache willen, abermahls die Freÿheit Ew. Hochgebohrne Excellentzien um höchst dero eigenen Genuugthuung willen unterthänigst und dringend zu bitten:
| diese vier derer wichtigsten Acten Stücke, als nemlich die beÿden Rechtlichen Bedencken oder Rechtsgutachten, wie auch die beÿden dringenden Vorstellungen derer HofRäthe Ayrer und Michaelis nicht allein denen Gerichtlich verhandelten Pasquill Acten, sie damit vollständig zu machen, beÿ zulegen; sondern auch diese sämtlichen Acten Stücke von Gerichts wegen abschrifftlich zum nöthigen | |
| [Bl. 144v] | |
| Gebrauche bei meiner Defension mir mittheilen zulaßen. | |
Ew: Hochgebohrne Excellentzien erweisen beÿ dem Zustande dieser schlimmen Sache, durch die erbethene mittheilung dieser schrifften, in Wahrheit sich selbst die eigene Gerechtigkeit: und es wird dadurch der Proceß vielmehr abgekürtzet als verlängert; indem ich ohne meinen grösten Nachtheil von dieser unterthänigsten Bitte und Forderung nach gestalt der Sachen nicht ablaßen darf noch kan. Die fernere ungnädige Abschlagung meiner Gerechten Bitten würde mehr als eine Verweigerung der unpartheÿischen Justitz, als für eine Beförderung derselben anzusehen und zu Erklähren seÿn: Da sich es meine Feinde und insbesondere die beÿden unruhigen HofRäthe Ayrer und Michaelis selbst zuzuschreiben haben, wenn aus den von Ew. Hochgebohrnen Excellentzien beÿ einer wahren unpartheÿischen Justiz Pflege freÿ gelaßenen Laufe der Justiz, etwas wiedriges auf sie zufließen solte: da es ihnen nicht befohlen war in dieser Sache das Amt eines Fiscals[37] zu verwalten, und auf die Fortsetzung eines Proceßes zu dringen, deßen schimpflichen Fortgang, Ew. Hochgebohrne Excellentzien aus wichtigen und gerechten Ursachen zu unterbrechen gnädigst befohlen haben.[38] Die Universitaets-Deputation hat ja das niederträchtige und boshafte Schreiben des Armen Professor Koelers[38] sub Nro 28. denen Acten beÿ geleget und ihn also dadurch mir auf discretion übergeben. Warum sollen meiner andern beÿden Feinde, die gewiß in Göttingen durch ihre Aufführung sich unendlich verhaßter als jener, gemacht haben, ihre Specimina prudentiae et Christianae[40] nicht auch die Acten zieren ? Wird durch diesen Umstand die Ehre meiner Feinde verletzet, so bin ich noch
[Bl. 145r]
	viel weniger schuld daran, als der Dornstrauch
	an der Verwundung einer Hand ist, die ihn mit
	einer flüchtigen Verwegenheit, heftig und geschwinde
	aus zu rotten suchet.
IV.
Da meine Erste unterthänigste Bitte auf die im Eingange angeführte Beschaffenheit, des Proceßes, und den wahren Innhalt der Acten gegründet ist; von dem ich aber nicht fordern kan, daß meiner eigenen Relation in dieser mich selbst angehenden Sache geglaubet werden müße: so wollen Ew: Hochgebohrnen Excellentzien mir gnädigst Erlauben einen unmaßgeblichen Vorschlag wagen zu dürffen, wie, und auf was für eine Art, Höchst dieselben ohne viele Umstände kürtzlich zur Richtigen Erkenntniß der Beschaffenheit des Proceßes und der Acten gelangen können.
Es ist 1.) höchst erforderlich, weil der Proceß zur Satisfaction des publici, und zur Ehre des Judicii sich enden soll, daß vor allen Dingen die sämtlichen Gerichtlichen Acten cum annexis von der Universitaets Deputation in Göttingen abgefordert und hieher zur Königl. Hohen Landes Regierung gebracht werden. Nach diesem wäre 2.) einem allhiesigen Rechtschaffenen und Berühmten Rechtsgelehrten, der niemahls etwas mit diesem Proceße zu thun gehabt, noch auch weder mit meinen Feinden noch mit mir in einiger Verbindung stehe, aufzutragen in meiner Gesellschaft die gesamten Acten durch zu gehen, und sich alle merckwürdigen Umstände die darinnen vorkommen; alle Nullitaeten; alle verdrehungen und Verfälschungen; alle Vergehungen, wieder die Königl. Criminal-Instruction als der eintzigen Vorschrift dieser Proceße; wie auch alle die fehler wieder anderer Könige Landes Gesetze, und wieder
[Bl. 145v]
	die Proceß Ordnungen; die Partheylichkeiten, und
	offenbahre Feindseeligkeiten in denen Berichten;
	die auf einander folgung der bis jetzt noch fortdaurenden
	Pasquille, und der dabeÿ geführten
	gleichlauffenden Treibereÿ meiner Feinde, zur
	Inquisition; und tausend dergleichen andere aber
	eben so wichtige schöne stücke; ferner, meine
	Gründe zur Defension und Anfechtung des gantzen
	Verfahrens, von mir zeigen zu laßen. Denn
	das ist nicht zu hoffen daß ohne mich auch der
	gröste Rechtsgelehrte diese confusen und weitlauftigen
	Acten in 3 Wochen durch Studiren und
	alles selbst aus denselben einsehen und finden
	solte, was auf diese vorgeschlagene Art durch meine 
	Beÿhülffe in zween oder höchsten in	
	dreÿ Tagen mit Bequemlichkeit geschehen kan.
	Denn mir sind nunmehr diese Schand Acten
	durchaus so gut bekandt, als einem alten Professor
	sein Compendium ist, welches er selbst
	geschrieben und schon 10 Jahre darüber gelesen
	hat. Ich bin überzeugt meine Richter in Göttingen
	sehen diese Acten auf den Tische liegend
	so gleichgültig an, als ich das Corpus Juris. Aber
	sie würden erschrecken wenn sie wüsten was
	für ein Schatz darinnen stecket. Es ist gewiß
	zu glauben daß der HofRath Meister diesen Process
	eben so wenig als ein Beispiel in seine
	Einleitung zum Peinlichen Proceße bringen
	wird, so wenig als zu vermuthen ist, daß er
	seine bekandte vorlängst geführte Defension
	eines Göttingischen Soldaten in pto infanticidii[41] 
	als ein Beyspiel einer Defension darein
	rücken werde. Da nun auf diese leichte und
	sichere Art Ew: Hochgebohrne Excellentzien ehe
	ich mich defendire durch eine kurtze Relation
	von dem gantzen Proceße, und von den gründen
[Bl. 146r]
	meiner Deduction die wahren Begriffe bekommen
	können, so unterstehe ich mich in tiefster
	submission Ew. Hochgebohrne Excellentzien unterthänigst
	zu bitten !
| diesem leichte auszuführenden Vorschlage
			ein gnädigstes Gehör zu geben, und 1.) veranstalten
			zu laßen, daß so bald es nur geschehen
			kan, die Acten von der Universitaets Deputation
			abgefordert und hieher gebracht werden: 2.) Einem hiesigen Rechtschaffenen Rechtsgelehrten der in dieser Sache gäntzlich unpartheÿisch ist, gnädigst aufzutragen mit mir gesellschaftlich diese Acten durch zu lesen, und sich von mir alles nöthige Anzeigen und Bemercken zu laßen; welcher 3.) Endlich durch eine kurtze Relation Ew: Hochgebohrnen Excellentzien von denen befundenen Umständen Referiren kan.  | 
	
Auch zur Ausführung dieses Vorschlags erbiethe ich mich die Kosten zu bezahlen, wenn es Ew: Hochgebohrne Excellentzien für billig finden werden. Denn mir ist mehr daran gelegen daß diese Sache vollkommen auseinander gesetzet werde, als mein Leben. Ich will gerne mit zerrißenen Lumpen bedecket, mein Söhngen auf dem Arme und den Bettelstab in der Hand aus Göttingen an den Ort wo ich erwartet werde, zu Fuße gehen, als in Ew: Hochgebohrnen Excellentzien Augen, und in den gedancken meines zukünftigen Souverains nur den geringsten Flecken auf meinen guten und ehrlichen Nahmen hafften zu laßen. Ich habe mich von meiner kindheit an bis hieher in mein männliches Alter mit der äußersten Bemühung und unglaublichen Fleiße bestrebet, den Ruhm eines Ehrlichen und rechtschaffenen Mannes zu erwerben, und zu
[Bl. 146v]
	erhalten. Ich bin keines Professors Sohn, viel weniger
	eines fürstlichen Cammer dieners, und HofTrompeters
	Sohn, durch deren reichen Mittel und unterstützungen
	ich mich bis zu der Höhe und dem Ansehen worauf und
	in welchem ich beÿ dem Anfange des niederträchtigsten
	Pasquillen Unfuges gestanden bin, hätte schwingen
	können. Mein Vatter war ein Armer Handwercks
	Mann in einem Marckt=Flecken, der mir aber schon
	im vierdten Jahre meines Alters gestorben ist.[42]
	Meine Mutter, die noch jetzt in Nürnberg im hohen
	Alter, aber durch mich glücklich und vergnügt gemachet,
	lebet,[43] hat sich und mich durch mühseelige Tage
	Arbeiten so lange ernehren müßen, bis ich und
	zwar schon in meinen Sechsten Jahre anfing durch
	meine Lern Begierde und besondern Fleiß mit
	allerleÿ kleinen obgleich kindischen künsten wenigstens
	mein Brodt zu verdienen. Ich fing im Neundten
	Jahre an, andere im Lesen Schreiben und Rechnen
	zu unterweisen: und im zwölften Jahre verschafte
	ich meiner Mutter durch meinen kleinen Verdienst
	ein ruhigeres Leben als sie vorhin hatte. Im dreÿzehnten 
	Jahre legte ich mich auf die Ernsthafftern künste
	und insbesondere auf die Mechanick. Ich drängte
	mich an alle Persohnen, von denen ich Nachricht bekam
	daß sie Liebhaber und Kenner derer Mathematischen
	Wißenschafften waren; diese lehnten
	mir an Büchern was sie hatten, und ich schrieb die
	gantzen Nächte die Bücher aus, und Studirte deren
	Inhalt mit der grösten Begierde: und was ich auf
	diese Art mit dem eiffrigsten Fleiße lernte,
	suchte ich mir auch jederzeit theils durch die ausübung
	theils aber durch die anwendung nutzbahr zu machen,
	um dadurch meinen Verdienst zu vergrößern, und
	mir selbst die nöthigsten Bücher und Instrumente,
	nach und nach anschaffen zu können. Im achtzehnten und
	neunzehnten Jahre meines Alters hatte ich schon verschie-
[Bl. 147r]
	dene Adeliche erwachsene Persohnen in meiner unterweisung:
	und im zwantzigsten Jahre suchte mich
	die Homannische Geographische Officin in Nürnberg
	auf, als ihr meine kleinen Einsichten in die mathematische
	Geographie die ich damahls besaß, bekandt
	wurde: und überredete mich in ihr Hauß zu ziehen
	damit ich meine Arbeiten und Bemühungen beßer anwenden
	und fortsetzen könte. In diesem Jahre fing es an viel
	ernsthaffter mit mir zu werden: und die Bescheidenheit
	verbiethet mir von meinen folgenden Umständen,
	davon einige selbst hier, alle aber in gantz
	Nürnberg so sehr bekandt sind, weiter etwas beÿ
	zu fügen. Ich habe diesen kurtzen Auszug des Lebens-Laufes
	meiner ersten armen Jugend nur
	aus dieser Ursache hergesetzet, damit Ew. Hochgebohrne
	Excellentzien daraus ersehen können, wie derjenige
	theil des Lebens, da man der grösten Ausschweiffungen
	und wilden Thorheiten fähig ist,
	von mir zurück geleget worden. Es ist gewiß ich
	war sehr munter und stets lustig: aber niemahls
	verwegen und niemahls boshafft noch viel weniger
	niederträchtig. Ein sanffter und Erlaubter Ehrgeitz 
	leithete mich stets auf dem Wege der Tugend
	bis hieher. Es ist aber bekandt wie schwer und
	mühsam für die muntere Jugend dieser Weg zu
	wandern ist ? Wahre Menschenliebe, Leuthsehligkeit
	und Demuth sind nebst der Gottseeligkeit die beständigen
	Begleiter meiner mühseeligen und arbeitsvollen
	Reise gewesen: und ich bitte Gott von
	gantzem Herzten, daß er mir diese seelige Begleitung
	bis an das Ende meines Lebens laßen wolle !
	Ew: Hochgebohrne Excellentzien wird noch aus
	einer ehemahls alhier abgehaltenen Untersuchung
	erinnerlich seÿn, daß ich von einen meiner Anverwandten
	durch seine Betrügereÿen aus Nürnberg
	nach Göttingen geschleppet worden bin.[44] Und jetzt
[Bl. 147v]
	muß ich auf das traurigste erfahren, wie mich
	eine noch größere abscheuliche und strafwürdige
	Betrügereÿ, die von einem andern meiner neuen
	Anverwandten[45] eingerichthet und ausgeführet worden
	ist, wiederum aus Göttingen vertreibet. Ich habe
	an diesen mir äußerst Fatalen Orte alles ausgestanden,
	was je ein Mensch in der Welt ausstehen kan:
	und ich halte diese zehen Jahre meines dort seins
	welches der 4te Theil meines Lebens ist, den ich
	in Göttingen unter allen Arten der Verfolgungen
	und Unglücksfällen durch gelebt habe, für mich gäntzlich
	verlohren: ob sonst schon diese Zeit in meiner
	Lebens Geschichte den merckwürdigsten und grösten
	Theil ausmachen wird. Hier habe ich erst die Welt
	kennen lernen. Hier sahe ich Bosheiten und Verbrechen
	mit Thorheiten vermischt, von denen ich niemahls
	die Nahmen viel weniger die Handlung gewust
	habe. Ich sahe Wölffe in Schaafs Peltzen verstecket:
	Grausahme Feinde unter der Masque der
	Freundschafft. Ich sahe Gelehrte, recht sehr gelehrte
	Idioten. Überhaupts: Ich sahe alles was schändlich
	und alles was thörigt ist, von Leuten ausüben, welche
	zu Lehrern der Wißenschafften und der Jugend bestimmet
	sind. Allein es gibt dort auch viele rechtschaffene
	und vernünftige Männer, die in stiller
	ruhe ihres Gemüthes, nach zurück gelegten Lehrstunden,
	sich nur denen Musen widmenn[!]. Aber sie
	sehen den Elenden Zustand welcher den weitern
	Flohr der Academie so beschwerend hindert, nur
	mit erbarmungsvollen Hertzen an: mehr können
	sie nicht thun ! Sie sind unbehertzt ihre Stimmen zu
	erheben, und sie sind gewiß durch das Beÿspiel
	welches mir begegnet ist, noch furchtsamer und
	schüchterner gemacht, sich des Schaden 
	Josephs[46] anzunehmen.
[Bl. 148r]
	Ew: Hochgebohrnen Excellentzien verzeihen diesen
	gerechten Eiffer meiner seele. Er entspringt nicht
	aus rachsucht gegen meine Feinde: Denn die Rachsucht
	empfehle ich Gott dem allerhöchsten Richter.
	Wolte Gott ! daß dieses Opfer welches ich so wohl
	mit meinem Vermögen als mit meiner Persohn
	für die Ehre der Gerechtigkeit thue, einen starcken
	Einfluß auf eine beßere Befestigung der Glückseeligkeit
	und auf den immer mehr wachsenden Flohr
	der Georg Augustus Universitaet haben möchte !
	Vielleicht bahnet diese, meine gegenwärtige Vorstellung
	einen neuen Weg darzu ? Es ist mir
	Göttingen durchaus, vielleicht beßer, als irgend
	einer dort wohnenden Persohn bekandt. Ich kenne
	nunmehr alle Vortheile und Mängel der
	Stadt und der Academie. Ich kenne aber auch einige
	Mittel und zwar nicht schwere Mittel, die Vortheile
	zu vergrößern, und die Mängel wo nicht
	gäntzlich auszurotten, dennoch aber zu vermindern.
	Da ich schon seit zweÿ Jahren aus dem Corpore Academicorum
	getreten bin;[47] und da ich mich jetzt auch
	so wohl von der Stadt als auch von meinen übrigen
	Verbindungen gäntzlich loß zu machen bemühe;
	um nach ausgang dieses verdrießlichen Proceßes
	mit Ehren und Ew: Hochgebohrnen Excellentzien
	gnädigsten Zufriedenheit einen Ort zu verlaßen,
	der mir so sehr Fatal gewesen ist; so bin ich in
	diesen falle um so unpartheÿischer auf hohes verlangen
	alle mögliche Nachrichten davon, so lange als
	ich mich noch in Göttingen aufhalten muß, zur höchst Dero
	eigenen Einsicht zu bringen.
Ew: Hochgebohren Excellentzien werden dadurch von mir umso kräftiger überzeuget werden, daß ich weder über das Schicksal des Himmels, noch auch über Höchst Dero bisherige Verfügungen in meinem Hertzen unzufrieden bin. Die wahre Ehre, und nicht das geringste
[Bl. 148v]
	Interesse: die ausübung meines Wahlspruches:
	Fürchte Gott; thue Recht; und scheue niemand, sind
	die eintzigen Triebfedern meiner Handlungen.
	Ich werde niemahls, und am allerwenigsten jetzt,
	einen Schritt thun, welcher dieser meiner gegebenen
	Erklährung nur auf das geringste entgegen
	gerichtet ist. Ew: Hochgebohrne Excellentzien
	könten sich also, wenn ich eines so gnädigen Zutrauens
	gewürdiget würde, um so sicherer auf
	mich verlaßen, weil ich nicht gewohnt bin meinem
	Nächsten boshaft zu verläumden; sondern was ich
	in diesem Falle bekandt zu machen oder vorzuschlagen
	hätte, mit allen möglichen und zu Höchst Dero
	überzeugung nöthigen Beweisen zu versehen
	und zu unterstützen. Ich bin mit etlichen Personen
	in Göttingen bekandt, die gleichfals ein vorzügliches
	Erkentniß des Zustandes dieser Stadt besitzen;
	Ew: Hochgebohren Excellentzien würden dadurch
	Leuthe kennen lernen, deren bekandte scharffe
	Einsicht in das dortige Policeÿ und Justiz wesen
	so wohl der Stadt als auch der Academie, vielleicht
	die einzigen Ursachen waren, warum man
	sie Ew. Hochgebohrnen Excellentzien vorborgen
	hielt, um nicht befördert, sondern überall
	zurück gesetzt zu werden.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien erlauben gnädigst dieser weitläuffigen und vermischten Vorstellung endlich nur dieses eintzige noch beÿzufügen: das Höchst dieselben diese Schrift entweder als eine privat-schrift oder als eine öffentliche zum Pasquillen wesen gehörige Schrift annehmen, und Höchst Dero gnädigsten Resolutiones darnach einrichten und geben können. Ich bin um der eintzigen Ursachen willen hieher gereiset,
[Bl. 149r]
	um Persönlich so viel mir möglich ist, den freÿen
	Lauf der Justiz zu erbitten, und Ew. Hochgebohrnen
	Excellentzien zu nähern Erkenntnißen, theils
	meiner eigenen, und theils Göttingen überhaupts
	angehenden umständen, den Weg zu bahnen:
	und weil ich nun schon über 14 Tage hier bin, so
	Reise ich heute mit der ordinairen Post wiederum
	nach Göttingen, um nach meinem dortigen Haußwesen
	zu sehen, und einige benöthigte Anstalten
	vorzukehren. Aber nach acht oder längstens
	nach virtzehen Tagen will ich mich abermahls Persöhnlich
	hier in Hannover einfinden, und Ew.
	Hochgebohrne Excellentzien gnädigste Verfügungen
	unterthänigst erwarten, und mich unterwerffen:
	in der sichersten Hoffnung, daß die
	Verweigerung der Justiz nicht darunter begriffen
	sein werde.
Der ich in tiefster Submission verharre
Königlich Großbritannische
	zur Churfürstlich Braunschweig-
	Lüneburgischen Regierung Hoch-
	verordnete Herren Geheimte
	Räthe
Hochgebohrne FreÿHerren
	gnädigste und Hochgebietende Herrren
	Ew: Hochgebohren Excellentzien
Hannover
	den 2ten Sept:
	     1765.
Unterthänigster Diener
	Georg Moritz Lowitz.  
Fußnoten
- ↑ Heinrich Eberhard Balck (1705-1769) war geheimer Kanzleisekretär in Hannover. Der Brief richtet sich nicht an Balck, sondern an Geheimräte in Hannover. Oben rechts auf Blatt 134r ist jedoch in anderer Handschrift der Name von Balck vermerkt.
 - ↑ Die Hoffnung von Lowitz auf ein baldiges Ende des Prozesses erfüllte sich nicht, denn der Prozess zog sich noch zwei weitere Jahre hin.
 - ↑ Anfang April 1763 wurden Schmäschriften an mehreren Göttinger Häusern angeschlagen, was sich im folgenden in immer neuen Variationen wiederholte. Diese Pasquillen genannten Schriften wurden von einer Deputation der Universität untersucht, wobei Lowitz der Hauptverdächtige war.
 - ↑ peremtorisch: jeden Widerspruch ausschließend, endgütig.
 - ↑ Rechtsgutachten waren von der Regierung in Hannover u.a. von Rudolf Christoph von Bilderbeck (1714-1786) angefordert worden, der von 1744 bis 1772 Hof- und Kanzleirat in Hannover war.
 - ↑ Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
 - ↑ Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
 - ↑ Christian Friedrich Georg 
		Meister (1718-1782)
		war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen. Lowitz
		nahm hier auf folgendes Werk Bezug:
		
- Ausführliche Abhandlung des Peinlichen Processes in Teutschland. Zweyter Theil. Göttingen: Victorin Bossigels 1750, S. 251
 
 - ↑ Diese Stelle gab Meister als Belegstelle an.
 - ↑ Vidimation: Beglaubigung.
 - ↑ Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1747 Universitäts-Secretär und seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
 - ↑ Ut in Rescripto: Wie im Rescript. Mit dieser Formel verweist man auf den Brief, dem das PS angehängt ist und erspart sich damit weiterer Grußformeln.
 - ↑ Siehe die Briefe von Ayerer und Michaelis vom 20. Juni 1763. Die Landesregierung wollte den Pasquillen-Prozess einstellen, Ayrer und Michaelis wünschten die Fortsetzung. Ayrer erwäht Lowitz nicht, wohingegen Michaelis sich von Lowitz beleidigt fühlte und forderte, dass er zur Rechenschaft gezogen werde, auch in dem Fall dass er in der Pasquillen-Sache unschuldig sei.
 - ↑ Ein Quartant ist ein Buch in Viertelbogengröße.
 - ↑ Nullität: Nichtigkeit.
 - ↑ Actio de Syndicatu contra judicem: Aktion eines Oberrichters gegen das ungerechte Urteil eines Richters.
 - ↑ avertere: abwenden.
 - ↑ Purgatorium: eigentlich das Fegefeuer. In der Juristerei ist es "der Reiniguns=Eid, welchen der Richter auf Erkänntniß derer Sachen demjenigen aufleget, wieder welchen etliche Vermuthungen streiten, daß er sich dadurch von solchen befreye, und die zweifelhafftige Sache entschieden werde" (Zedlers Universallexikon).
 - ↑ Lowitz zitiert aus § 40, nicht aus § 36. Der Text weicht minimal vom Original ab, z.B. komt statt kommt.
 - ↑ Friedrich Wilhelm Leyser (1658-1720) war Jurist und Stadtsyndikus von Magdeburg.
 - ↑ Dicasterium: ein allgemeines Richterkollegium.
 - ↑ Actuarius: Protokoll- oder Aktenführer.
 - ↑ Additiones der historischen Einleitung zu dem Criminal-Process. Ulm: Johann Conrad Wohler 1748, S. 102
 - ↑ Lowitzens Ehefrau starb am 14. März 1765.
 - ↑ ad Augustissimum: für die höchste Majestät.
 - ↑ Ein vergleichbarer Wunsch war Lowitz mit Rescript vom 22. August 1763 abgelehnt worden, da "er, der Pr: Lowitz, die Kosten dazu her zugeben nicht gesonnen seÿn werde".
 - ↑ Urthel, Urteile.
 - ↑ Ein summarisches Verhör ist ein formloses Verhör, wie es in aller Regel zu Beginn einer Untersuchung geführt wird.
 - ↑ Maria Elisabeth Becker scheint seit 1762 beim Stallmeister
		Ayrer als Köchin angestellt gewesen zu sein.
		
- Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472
 
 - ↑ Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen.
 - ↑ Anwalt von Lowitz war Heinrich Christian Jaep (ca. 1718-22.07.1788).
		Der hatte in Göttingen ab 1737 studiert und ließ sich hier als Jurist nieder. 
		
- Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 258
 
 - ↑ Gemeint ist der Hofrat Pütter.
 - ↑ Eyde deferiren: statt viele Zeugen zu befragen, sollte Frau Lowitz einen Eid darüber ablegen.
 - ↑ causa criminalis: Strafrechtsfall.
causa praejudicialis: Eine vorläufig auszumachende Sache, die auf die Entscheidung in der Hauptsache Einfluss hat. - ↑ in suspenso: In der Schwebe.
 - ↑ Dieses Dekret wurde zwar am 12. November bei Lowitz eingereicht, doch ließ der es mit Begleitschreiben vom 13.11.1764 aus Krankheitsgründen ungeöffnet zurückschicken. Erneut wurde es erst am 13.04.1765 überschickt, vgl. die Antwort von Lowitz vom 15.04.1765.
 - ↑ Fiscal "ist ein Fürstlicher Beamter, der der Obrigkeit bestes in Acht nimmt", (Zedlers Universallexikon).
 - ↑ Vgl. hierzu das Schreiben der Landesregierung in Hannover an die Deputation der Universtität vom 16. Juni 1763.
 - ↑ Johann Tobias Köhler (1720-1768) war ebenfalls Professor für Philosophie in Göttingen. Das angesprochene Schriftstück Köhlers ist nicht überliefert, doch spricht Selchow in seiner Stellungnahme vom "unfläthigen" Schreiben Köhlers.
 - ↑ Specimina prudentiae et Christianae: Beispiele für Klugheit und Christlichkeit.
 - ↑ Infante cidii: Infantizid, Kindsmord.
 - ↑ Lowitz wurde am 17. Februar 1722 geboren, sein Vater wurde am 9. Juni 1727 beerdigt. Damals war Lowitz bereits 5 Jahre alt, d.h. sein Vater ist im sechsten Lebensjahr des Sohnes gestorben. Hier hat Lowitz sein Gedächtnis also etwas im Stich gelassen.
 - ↑ Die Mutter von Lowitz war am 24. November 1692 getauft worden. Bei Abfassung des vorliegenden Briefes war sie also fast 73 Jahre alt.
 - ↑ Johann Michael Franz hatte den Kontakt mit Göttingen angebahnt. Lowitz hatte seine Schwester geheiratet, die aber schon Anfang 1756 gestorben ist.
 - ↑ Hier kann kaum jemand anders als Otto Riepenhausen gemeint sein, der Bruder seiner zweiten Ehefrau. Dessen Name taucht in den überlieferten Pasquillen-Akten allerdings nicht auf. Lowitz scheint ihn aber als Drathzieher hinter der ganzen Affaire vermutet zu haben.
 - ↑ Der Schaden Josephs ist laut Zedlers Universallexicon eine "Redens=Art, so von dem Zustande des Josephs genommen, als ihn seine Brüder in die Grube warffen, und er in Leibes- und Lebensgefahr steckte, so bekümmerten sie sich wenig darum, sondern waren lustig und fröhlich, setzen sich nieder zu essen, 1. Buch Mos. XXXVII, 24.
 - ↑ Aus Verärgerung darüber, dass er als Verdächtiger in der Pasquillen-Sache angesehen wurde, trat Lowitz mit Schreiben vom 19. August 1763 von allen seinen akademischen Ämtern zurück.
 
	
	