Briefwechsel Georg Moritz Lowitz
Kurzinformation zum Brief | |
Autor | Lowitz, Georg Moritz (1722-1774) |
Empfänger | Balck, Heinrich Eberhard (1705-1769)[1] |
Ort | Hannover |
Datum | 2. September 1765 |
Signatur | Universitätsarchiv Göttingen: Kur. 8213, Bl. 134r-149r |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
Königlich Groß Britannische zur Chur=
fürstlichen Braunschweig-Lüneburgischen Re-
gierung Hochverordnete Herren geheimte Räthe.
Hochgebohrne Freÿherren
gnädigste und Hochgebietende Herren !
Ew: Hochgebohrnen Excellentzien wundern sich nicht, daß ich mich unterfange, um meiner Sache willen, die höchst Dero äußerstes Mißfallen auf die gerechteste Art verdienet, abermahls meine unterthänigste Vorstellung einzureichen. So unwürdig und niedrig auch der Gegenstand dieser unangenehmen Sache ist, und so nahe Sie auch ihrem Ende zu seÿn scheinet;[2] so verdienet solche dennoch, wegen ihrer außerordentlichen Beschaffenheit, und wegen deren wichtigen Folgen, vor deren Endigung, alle mögliche Aufmercksamkeit und Überlegung. Es ist diese der schon seit dritthalb Jahren in Göttingen beÿ der Georg-Augustus-Universität dauernde verhaßte Pasquillen=Process,[3] der mich nicht allein um Ew. Hochgebohrnen Excellentzien höchste Gnade: um die Gesundheit meines Leibes: um meine Gemüthsruhe: sondern auch, welches mir das beste und liebste in der Welt ist, um meine Ehre und um meinen guten Nahmen gebracht hat.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien haben in einem höchst zu verehrenden Rescripto an die Universitaets Deputation in Göttingen, vom 10ten Maÿ 1764 zu befehlen geruhet, mir eine kurtze peremtorische[4]
[Bl. 134v]
Frist, zur Einbringung meiner Defensions-Schrifft
zu bestimmen; in einem Decreto von
eben diesem Dato aber mir die Mittheilung derer,
zu denen Acten gehörigen vornehmsten
und wichtigsten Stücke, nemlich: die beÿden
Rechtlichen=Gutachten,[5] und die gerichtlich rubriciten
dringenden Vorstellungen derer Hoff=Räthe
Aÿrer[6] und
Michaelis[7] die sämtlich nach
aller Rechtsgelehrten ihren Erkenntnißen Haupttheile
dieser Pasquill-Acten sind, auf das ungnädigste
abgeschlagen, und mir dadurch den
Weg zu meiner gründlichen Defension mit
Gewalt versperret. Denn da ich ohne dieselben
meine Feinde nicht leichte rechtlich verfolgen,
und sie zur gerechten Genugthung zwingen
kan; so ist es mir unmöglich von meiner
Forderung abzustehen; sondern ich muß solche
nach dem Wege Rechtens so weit suchen, als
es die Gesetze erlauben. Der HoffRath Meister
giebt mir im Zweyten Theile seiner Einleitung
in den Peinlichen Process[8] § 51. selbst das Recht
diese zu fordern, wenn Er also schreibt:
....... findet der Defensor die Acten unvollständig,
so muß er auf die Ersetzung der Mangelnden Stücke
dringen, hat der Richter unbefugter Weise einige Blätter
verschloßen, welches bisweilen geschiehet, so ist er verbunden
sie eroffnen zu laßen. Thoenicker C. S. S. 19[9] |
Ich will den schon einmahl geführten Beweiß, der nunmehr durch die Gnade Ew. Hochgebohrnen Excellentzien wieder mein Hoffen zu denen Acten gekommen ist, hier nicht wiederholen: sondern nur so viel anführen, daß die Entschuldigungen; die Rechts=
[Bl. 135r]
gutachten, wären nicht partes Actorum geworden,
und hätten nur bloß zur Information
einer berühmten Universitaet gedienet; ferner
die dringenden Vorstellungen, derer Hoff=Räthe
Ayrer und Michaelis wären nur privat Briefe
deren communication niemand verlangen kan,
mehr für als wieder mich sind. Denn daraus
würde erhellen, daß man Bedencken träget,
die Vorschrifft des gantzen Verfahrens, und den
Grund derselben, worauf sich die damit gesendeten
Königl. Regierungs Rescripta so wohl als alle die
wichtigsten Registraturen in den Pasquill Acten
beziehen, und worauf auch die Richter selbst stets
beÿ mir und andern Personen mündlich sich gestützet,
daß sie keinen Schritt ohne diese Rechstsgutachten
gethan haben, einsehen und beurtheilen
zu laßen. Es scheinet daraus, daß diese Rechtliche
Bedencken auf verschiedene privat Briefe, und
insbesondere das Letztere von diesen, auf die so
berüchtigten dringenden Vorstellungen derer Hoff=Räthe
Ayrer und Michaelis begründet sind, die
solche wichtige Unwahrheiten und Verschwärtzungen
in sich enthalten müßen, welche den Verfaßer
dieser Rechtsgutachten, und auch selbst Ew: Hochgebohrnen
Excellentzien davon überzeugen solten, daß
ich ein Mensch von bösen Leumuth; ein Mann zu
dem man sich der That versehen könne, u. d. g.
seÿn. Die mir erst am 15ten Maÿ dieses Jahres
laut der Vidimation[10]
des Profess. Riccius[11] mitgetheilten
Königl. Regierungs Rescripta in dieser
Sache, an die Universitaets Deputation, und unter andern
das Post Scriptum
vom 10ten Maÿ 1764. überzeuget
mich vollkommen davon, indem Ew: Hochgebohrnen
Excellentzien folgender Gestalt sich auszudrücken geruhet haben;
auch günstige gute Freunde haben Wir um | |
[Bl. 135v] | |
alle Gelegenheit zu queruliren zu benehmen zwar nach Innhalt der den Profess. Lowitz ertheilten Resolution verstattet, daß dem Profess. Lowitz von denen Vorstellungen der HoffRäthe Ayrer und Michaelis extractus, mitgetheilet werden könne. Es ist aber aus denselbigen, wie Ihr selbst Ermeßen würdet, alles dasjenige was darinnen anzügliches enthalten, oder zu seiner Wißenschaft zu bringen unvonnöthen ist, um desto mehr weg zu laßen, da diese Vorstellungen eigentlich privat Briefe sind, deren Communication niemand verlangen kan. Ut in Rescripto[12] |
Dieses P.S. gantz alleine überzeuget schon einen jeden, daß in denen dringenden Vorstellungen würcklich Anzüglichkeiten enthalten sind, und daß auf sie das Rechtsgutachten welches mit dem Königl. Regierungs Rescripte vom 22ten August 1763 an die Universitaets Deputation
zum Behuef des weiteren Verfahrens
gesendet worden, muß gegründet seÿn. Denn die dringenden Vorstellungen sind am 20ten Junii geschrieben worden.[13] Die Einrichtung der Registraturen und übrigen Beschaffenheiten der gantzen Gerichtlichen Acten beweisen also, es seÿn das gantze Verfahren der Deputation beÿ diesem Processe in denen besagten Rechtsgutachten, die doch nun mehr gäntzlich unterdrückt werden wollen, vorgeschrieben. Allein es ist unmöglich zu glauben, daß einen Richter als so vorzüglich berühmten Leute, die sich Lichter und Lehrer der Welt nennen, die gantze Quartanten[14] vom Criminal-Processe schreiben; die das Heil. Römische Reiche überreden wollen, ein Römischer König müße, ob er schon einmahl gecrönet ist, wenn er Kaÿser wird, noch einmahl
[Bl. 136r]
gecrönet werden, u.s.w. daß, sage ich diese
berühmten Männer einer Vorschrift solten
gefolget sein, die so offenbahr wieder die Peinliche
Halß-Gerichts Ordnung Caroli V, und noch
mehr wieder die Königl. Criminal Instruction
lauffe, welche letztere ich nur für die eintzige
und wahre Vorschrift der unpartheÿischen Justitz
Chur Hannöverischen Gerichten zu halten und zu
erkennen schuldig bin. Es sind also diese Rechtlichen
Bedencken entweder nicht denen Gesetzen
gemäße abgefaßet, oder die Universitaets Deputation
hat denen darinnen enthaltenen Vorschrifften
gantz und gar nicht gefolget. Das Erstere
ist unmöglich zu vermuthen. Das letztere
aber ists was man zu glauben gezwungen
wird, so bald man nur die Pasquillen Acten mit
flüchtigen Augen durchgewandert hat. Es komt
also in meiner künftigen Defension nicht so
wohl auf den Beweiß meiner reinen Unschuld
an: sondern vielmehr darauf, die Gottlose und
straffenswürdige Bosheit, meiner wieder mich
verschworenen Feinde zu entdecken: das ungerechte
Partheÿische und ungetreue Verfahren
der Universitaets Deputation gegen mich zu entwickeln;
die sämtlichen Nullitaeten[15] dieses Processes
auseinander zu setzen und den Quellen
derselben nach zu spüren: insbesondere aber die
Actio de Syndicatu contra judicem[16] zu begründen.
Denn ich bekümmere mich wenig darum, von einem
so elenden Verdacht den meine Feinde
gegen mich erreget haben los gesprochen zu werden;
da gewiß kein eintziger vernünfftiger
Mensch der mich persönlich kennet, und keiner der
die Anzeigen gelesen hat, den geringsten Argwohn
[Bl. 136v]
gegen mich in seinem Hertzen faßen werde:
denn in diesem Betracht könte ich getrost die
Acten so wie sie da liegen von meinen Richtern
zum Spruch Rechtens verschicken laßen; und
von dem ausfallenden Urtheile bin ich schon
verschiedentlich überzeuget. Aber darum bekümmere
ich mich Ew: Hochgebohrnen Excellentzien
Einestheils dasjenige Ungeheuer in
Göttingen kuntbar zu machen, welches einen
jeden Ehrlichen Mann der sich nicht mit Füßen
untertreten läßet, auf das grausamste verfolget
und unter dem Schein des Rechtes in
das größte Unglück zu stürzen immer fort
bereitet ist: Anderntheils aber, zu beweisen,
daß meinen Richtern gantz und gar nicht daran
gelegen war, den Verfaßer derer unwürdigen
Schand Schrifften zu entdecken: sondern
vielmehr nur mich ex officio zu beschimpfen
und zu reitzen, meinen Abschied aus
Göttingen zu nehmen, damit sie ihre Absichten
in Gesellschaft meiner Feinde erreichen können.
Denn ich bin verschiedenen von ihnen schon lange
ein Dorn in den Füßen gewesen. Fürnemlich
bin ich gezwungen mathematice
zu beweisen daß die Wahrscheinlichkeit sehr groß
ist, es seÿen alle bis jetzt noch fortdaurende
Pasquillen selbst aus dem Mittel der beim
Anfange diese Unfuges bestandenen Richtern
hergefloßen: oder doch zum wenigsten daraus
veranstaltet worden. Das sind in der That, sehr
harte Beschuldigungen gegen Männer, welche
[Bl. 137r]
das unendlich große Glück sich zu erwerben
wusten, Ew. Hochgebohrnen Excellentzien gnädigstes
Zutrauen sich rühmen zu dürffen.
Allein was kan ich dafür, daß sich die Sache
würcklich also verhält! Warum haben meine
verblendeten Feinde theils aus Übereilung,
und theils aus Zuversicht daß diese Sache nicht
so weit kommen werde als sie gekommen ist,
mich so weit getrieben? Warum haben sie nicht
alle Regeln der falschen Klugheit angewendet,
ihre Handlungen stärcker zu übertünchen und
alles aus dem Wege zu räumen, welches die Ursache
derselben verrathen konte? Warum haben
sie endlich nicht eine noch stärckere Mauer davor
gebauet, damit das Licht der Wahrheit nicht
darauf zu dringen vermögend gewesen wäre?
Meine Feinde haben sich also alles selbst zuzuschreiben
was auch für Folgen daraus entstehen
werden. Denn da ich in diesem Processe alle mögliche
Beschimpfungen und Mißhandlungen, dergleichen
gewiß noch niemahls einem Köngigl. Bedienten
ist angethan und erwiesen worden, auf
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien Verfügungen
geduldig und gelaßen ausgehalten habe; und da
meine Feinde wie die Acten zeigen, überflüßig
weitläuftig auch immerfort und sehr lange sind
gehöret worden; so können Ew: Hochgebohrnen
Excellentzien unmöglich so ungnädig seÿn, und
mich nicht auch eben so lange, und eben so umständlich
und genugsam anzuhören. Meine Feinde haben
ihre Zeugen beeÿdigen und mit mir confrontiren
laßen. Jetzt ist die Reÿhe an mir, daß ich
auch Zeugen wieder sie, aber keine so wiedrigen
Creaturen, sondern Männer ihres gleichen dem
Stande nach: ja sie selbst zu meiner Defension
aufführen und eÿdlich abhören laßen darf.
[Bl. 137v]
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien sind, wie es
durchaus die Pasquillen Acten zeigen, theils
durch die mit feindseeligen vergalleten Gemüthe
abgefaßten falschen Partheÿischen und ungetreuen
Berichten der Universitaets Deputation
/: doch ich wil diesen Ehrwürdigen Nahmen,
beÿ Benennung meiner rasenden Feinde
und ihren Helffers Helffern nicht mehr mißbrauchen
und beschimpfen :/ und derer dringenden
Vorstellungen der Hoff=Räthe Ayrer und
Michaelis gegen meine Persohn dergestalt
praeoccupiret worden, daß Hochdieselben
für gut befunden haben, mir die zwar unjuristisch
aber doch deutlich erbetene Defension
pro avertenda[17] inquisitionis specialis,
wie auch ferner die Commission wegen meines
gleichfalls unjuristisch eingewendeten Verdachts
gegen meine Richter, auf das ungnädigste
abzuschlagen; und mich dadurch gezwungen,
in einen Process einzutreten, darinne
ich mich ohne Gnade und Barmherzigkeit
von meinen verschworenen Feinden
recht nach ihres Hertzens Wunsch und Lust
mißhandeln laßen muste. Wenigstens
suchten diese, so öffentlich unruhigen Köpfe
durch das ungestühme wiederrechtliche Zudringen
an Ew. Hochgebohrnen Excellentzien,
zu wiederholten mahlen, Vorstellungen zu
thun, mir, ohne mich zu hören, /: denn man hat
mich bis hieher noch nicht gehört :/ das purgatorium[18]
an zu befehlen, und damit dem Verfahren
meiner Feinde einen Schein des Rechtes
zu geben, und mich wenigstens dadurch zu
beschimpfen, daß sie alsdenn sagen könnten, ich hätte
mich loß geschworen, weil ich mich nicht Defendiren
kan. Ferner auch darum damit mir die Eingefä-
[Bl. 138r]
delte Bosheit meiner Feinde unbekandt
bleiben solte, auf daß ich ihnen am Ende nicht
zu Leibe gehen könte. Denn sie sahen sehr geschwinde
ein, daß sie so wohl an Ew. Hochgebohrnen
Excellentzien gerechte und langmüthige
auch gnädige Richter finden: als daß auch
ich standhaft bleiben, und wegen meiner ihnen
vorher schon selbst bekandt gewesenen
Unschuld, vor einer Untersuchung nicht erschrecke
die ich getrost aushalten wolte. Die Absicht
meiner Feinde war, mich durch diese verläumderischen
Anstalten beÿ Ew. Hochgebohrnen Excellentzien dergestalt verdächtig zu machen,
um mir wenigstens in der ersten Hitze nichts
geringers als eine bekandte fälliche beÿ Straffe
des Stranges angekündigte schleunige Räumung
des Landes zu Wege zu bringen. Diese Absicht
ist ihnen nicht allein zu Waßer, sondern
auch selbst ihr Process dadurch so sehr verdorben
worden, daß sie selbigen nicht mehr
ins Geleiße bringen konnten. Aus dieser Quelle
floßen alsdenn alle unschicklichen und Rechtswidrigen
Nullitaeten dieses Processes her, die
nunmehr zur äußersten Verunglimpfung der
hiesigen Königl. Justizpflege in denen Acten
so offenbar liegen, daß man solche mit den
Händen greiffen kan.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien geruhen gnädigst diese harten Ausdrücke gegen meine Richter mir nicht als einen Mangel der Hochachtung gegen das Judicum selbst, anzurechnen. Ich kenne die Pflichten eines rechtschaffenen Mannes viel zu genau, als daß ich eine so niedrige Gedenckungs Art äußern solte, wie diejenige
[Bl. 138v]
wäre, wenn ich meine Richter mit Ungrund
da die Acten, welches ihre Arbeit ist, vor Augen
liegen, so grober Fehler beschuldigen wolte.
Ich kan das Gerichte von dem Richter, oder
überhaupts, das Amt von seinem Verwalter
sehr wohl unterscheiden. Ich bin dem Gerichte
alle mögliche Hochachtung und Unterwerffung
schuldig: und ich verehre auch daßelbe von Hertzens-Grunde.
Denn durch die Hülfe des Gerichts
muß ich in dieser verdrießlichen Sache zu meinem
Rechte und zu meiner Genugthuung gelangen.
Für den Richter aber kan man von mir kein
größere Hochachtung fordern, als die der Beschaffenheit
und Richtigkeit seiner ausgeübten beschwornen
Pflichten gemäß ist. Wenn derjenige
eines strafbahren Mangels der Hochachtung
gegen das Gericht zu beschuldigen wäre,
welcher von dem Richter beweiset daß derselbe
einem Amte und seiner Pflicht kein Genüge
geleistet habe; zumahl wenn er noch dazu durch
ihn selbst in den Stand gesetzet wird es aus denen
gerichtlich abgehandelten Acten außer
Widerspruch zu setzen; wie viel straffälliger
würde selbst der in Göttingen so genanndte
große Criminaliste HoffRath Meister seÿn
welcher ohngeachtet der guten Vermuthung,
die ein Richter, aber nur im Zweiffel vor sich hat,
daß er seinem Amte oder Pflicht nie Genüge
geleistet habe, dennoch nicht nur von der Möglichkeit,
sondern gantz offenhertzig von der Würcklichkeit
solcher Richter im 2ten Theile 1 Sect
[Bl. 139r]
8 Cap: § 36[19] seines Peinlichen Processes
mit trockenen Worten schreibet:
Es beruffet sich zwar der Herr von Leyser[10] auf die Schuldigkeit des Richters alles dasjenige so dem Inquisiten zu statten komt, sorgfältig zu bemercken und Gebrauch zu machen: allein umsonst. Der Richter ist ein Mensch; er kan sich also durch Affecten beherrschen laßen die dem Inquisiten zum größten Nachtheil gereichen: Er kan ihm aus Bosheit die Mittel zur Vertheidigung abschneiden: er kann zu unwißend am Verstande zu schwach seÿ, die Vertheidigungsgründe, zu sammlen, um zu sehen, zu gebrauchen. | |
Der Einwurf: daß die Acten von dem Unterrichter, an ein höheres Dicasterium[21] oder an auswärtige Rechts=Gelehrten zum Spruch gelangen, hebt die Sache nicht auf. Man räume ein, daß die künftigen Urtheiler aus lauter gründlichen Rechts=Gelehrten bestehen; werden diese wohl im Stande seÿn über die Unschuld des Inquisiten gehörig zu urtheilen, wenn der Unterrichter diejenigen Gründe zur Defension, welche in facto vorhanden sind nicht zu den Acten gebracht hat? |
In eben diesem Thone spricht der HoffRath Meister in § 53 dieses zweÿten Theiles:
Es ist nicht nur möglich, sondern es geschiehet auch öffters, daß die zu des Inquisiten Vertheidigung hauptsächlich dienenden Umstände entweder gar nicht oder doch nur unvollständig in den Acten liegen. So wohl der Richter als der Beschuldigte können zu diesem Mangel Ge- | |
[Bl. 139v] | |
legenheit geben. Jener kan aus Unverstand oder Bosheit sich nur um dasjenige bekümmern, so den Inquisiten beschweret; von welchen ungerechten Verfahren, die Verhöre der Zeugen und des Beschuldigten nicht selten deutliche Merckmahle geben. Er kan ferner die im Gerichte würklich vorgekommenen vor den Inquisiten vortheilhafften Umstände nicht registriren laßen: er kan andere Nullitaeten begehen, davon aber in den Acten keine Spur zu finden ist. |
Daß ist eine vortreffliche Beschreibung meiner Richter! Es ist nur schade daß der HoffRath Meister nicht an noch mehrere Vergehungen gedacht hat, die ich aus meinen Acten anzeigen werde. Er kan in Zukunft diese beÿden Absätze seines Criminal Processes bei der zwoten Auflage mercklich erweitern: Zumahl da auch von mir ein eigenes Capitel von solchen vorzüglichen Eigenschafften eines würcklichen Actuarii,[22] aus eben diesen Acten für meine Defension deduciret wird.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien glauben nicht, daß ich meinen Richtern, oder beßer meinen Feinden zu viel thue. Es liegen beÿ denen Pasquill Acten von mir schon so viele Schrifften, darinnne ich ihnen unterschiedliche Vergehungen wieder die allgemeinsten Gesetze, und wieder die Ordnung des Proceßes, vorrücken muste; welche sämtlich anzeigen daß sie die gerichtlichen Handlungen entweder nach eigenen Gefallen die ihren Absichten gemäße waren; oder aber aus Nachläßigkeit; oder gar wegen würcklichen Mangel deren Erkentniße also vorge-
[Bl. 140r]
nommen haben. Es ist in der That eine
wahre Schande für meine Richter, daß sie sich
beständig von einem der Rechten gäntzlich unerfahren
Inquisiten musten erinnern; aufreiben;
und zu Rechte weisen laßen. Und dennoch
ist einer oder der andere von diesen
Männern ein Beÿsitzer in der Hochlöblichen berühmten
Juristen Faculatet !
Ich würde alle diese Beschaffenheiten der in Göttingen verhandelten Acten nicht eingesehen und bemercket haben, wenn sie mir nicht von berühmten Rechtsgelehrten wären angezeiget, und Deductiones darüber mitgetheilet worden; die ich zu seiner Zeit wenn es die Umstände erfordern, bekandt zu machen habe. Es ist auch nicht zu verlangen daß Ew. Hochgebohrnen Excellentzien sich in solchen confusen und weitläufftigen Acten umsehen sollen, um das was ich wieder solche einzuwenden habe, selbst einzusehen. Noch unbilliger aber würde es seÿn, zu fordern, daß Ew. Hochgebohrnen Excellentzien mir unmittelbahren Glauben beÿmeßen solten. Da es nun aber an dem ist, daß ich meine Defension zu denen Acten bringen soll, und da mir die Rechte verstatten, nach der Criminal-Instruction Cap: 7, § 6.[23]
den Inquisitions Proceß ex Nullitatibus und befundenen unrechtmäßen Verfahren anzufechten und zu disputiren ohne herbe und ungebührliche Antastung des Gerichts: |
Da auch ferner die Acten so eingerichtet sind, daß daraus scheinet als wenn das gantze Verfahren in dieser Sache bloß allein von Ew. Hochgebohrnen Excellentzien vorgeschrieben und verfüget worden wäre: Mithin würden meine Feinde fortfahren, zumahl wenn die Rechtlichen Bedencken und die dringenden Vorstellungen länger zurück gehalten werden, sich hinter den Höchst verehrungswürdigen Nahmen Ew. Hochgebohrnen Excellen-
[Bl. 140v]
tzien zu verstecken, um mir dadurch die Eröfnung des
Weges zur Gerechtigkeit schwer zu machen. Deswegen
hatte ich mir schon lange vorgenommen, aber meiner
und meiner Familie langwierige Kranckheiten
wie auch der Todt meiner Frau,[24] hinderten mich bis jetzt,
eine Reise hieher vorzunehmen, um alles anzuwenden,
damit Ew. Hochgebohrnen Excellentzien von der gantzen
Beschaffenheit in dieser Sache unterrichtet werden.
Zu gleicher Zeit wolte ich mir die Freÿheit nehmen
Ew: Hochgebohrnen Excellentzien ohnmaßgebliche
Vorschläge zu thun, wie in dieser unangenehmen
Sache denen Rechten nach weiter zu verfahren wäre,
damit dieser Proceß ein solches Ende gewinne, welches
der Ehre Ew. Hochgebohrnen Excellentzien als Oberrichter
in dieser Sache, gemäß seÿn wird. Ew: Hochgebohrnen
Excellentzien waren so gnädig, durch einen
in dieser Sache mündlich gemachten Vortrag
mich an eine Persohn zu verweisen, die mich nicht allein
gütiger aufnahm als ich zu vermuthen Ursache
hatte, sondern sie ertheilte mir, nach dem Schluße
meiner Erzählung derer Umstände, den guten Rath
alles in eine schrifftliche Vorstellung zu bringen und
solche unmittelbahr an Ew: Hochgebohrnen Excellentzien
zu richten. Ich suche also darin nichts andres als den
ungehinderten Lauf der Justiz: und ich hoffe in dem
festestem Vertrauen, das mir diese Gerechtigkeit
nicht abgeschlagen werde! Es wäre würcklich eines
der grösten Verbrechen, nur zu dencken, daß Ew:
Hochgebohrnen Excellentzien die Unschuld, welche sich
unter der schwersten Last wider auf ihr liegenden
großen und mächtigen Feinden hervor zu wältzen
bemühet, und unter dieser Last seufzend erhalten
und dagegen der offenbahren Bosheit beÿ stehen sollen !
Nein, daß ist von einer so weisen und gnädigen
Regierung welche das Zutrauen unsers grösten und
besten Königes in der Welt höchst würdig ist, nicht zu
vermuthen. Die vielen und wichtigen Stattsbeschäftigun-
[Bl. 141r]
gen und die glückseelige Regierung des Ruders
am Regimente machet, das höchst dieselben keine
Zeit übrig haben, solchen unangenehmen Streitigkeiten
von dieser Art, einige Aufmercksahmkeit zu
widmen: ob schon die Ehre der hiesigen JustizPflege
genau damit verbunden ist.
Nachdem ich nun die Beschaffenheit des Pasquillen Processes überhaupt vorgestellet habe, so leitet mich dieses auf meine darauf gebaueten gerechten Bitten: Die ich mir die unterthänige Freÿheit nehme zur gnädigsten Erhörung vor Ew: Hochgebohrnen Excellentzien zu bringen.
I
Das Hauptwesen von meiner Defension ist die Abhörung meiner Defensional Zeugen, welche verschiedene Dinge in denen eingegebenen Anzeigen theils wiederlegen, theils beßer erläutern, und aus der Dunkelheit darine sie meine Feinde recht mit Vorsatz gestecket, ferner ziehen und ins helle Licht bringen müßen. Durch andere Zeugen sind Dinge zu den Acten zu bringen, die mit Fleiße sind heraus gelaßen worden, und die doch zur Entdeckung meiner Unschuld dienen. Andere Zeugen müßen verschiedene Vorgänge beim Gerichte, die man nicht zu denen Acten gebracht hat, beweisen, u. d. m. Da nun alle diese Anstalten unsren Theils meine Richter selbst angehen; und sie folglich alle Mühe anwenden würden um den Verdacht gegen mich, worauf sie so unbedachtsam mit der Special-Inquisition zu gefahren sind, in seiner Kraft zu erhalten damit sie sich mittelst demselben gegen die Verantwortung schützen können: so ist offenbahr daß ich diesen Männern meine Defensional Articul überhaupt, noch viel weniger diejenigen, worauf die beiden wieder mich beeÿdigten Zeugen zu meiner Defension abgehöret werden müßen, nicht
[Bl. 141v]
anvertrauen kan: ob schon die Rechte erlauben,
daß ich eine beeÿdigten Protocollisten für mich
der Abhörung beÿfügen darf. Denn meine Richter
verriethen ihre ungerechten und falschen Gesinnungen
in diesen Puncten, schon längst in einem
Berichte, welchen sie in der Civil-Sache, von dieser Pasquillen
Sache ad Augustissimum[25]
zu des Judicii äuserster
Verunglimpfung abgefaßet haben. Um dieser
gerechten Ursache Willen werden Ew: Hochgebohrnen
Excellentzien unterthänigst von mir gebethen:
Zu seiner Zeit wenn die Defensional-Articul zu meiner Deduction werden abgefaßet seÿn, in Göttingen eine Commission von zween oder mehrern Rechtschaffenen, derer Rechte Erfahrnen, und weder mit mir, noch mit meinen Feinden in einiger Verbindung stehenden Männern, nebst Beÿfügung eines geschickten Protocollisten, mit Zulaßung eines beÿ dem dortigen Gerichte immatriculirten und von mir bestellten Notarii, wieder setzen, und durch diese Commission alles was ich nöthig haben werde, zu den Acten bringen zu laßen. |
Ich erkläre mich zum voraus hiermit, daß die etwa dadurch verursachten Kosten, die ich nicht verlange daß sie dem Judicio zur Last fallen sollen, entweder nach geendigter Commission auf Ew: Hochgebohrnen Excellentzien Ober=Richterliches Ermessen zu bezahlen, oder zum voraus mir zu bestimmende Summe wohin es verlanget wird, zu deponiren.[26] Da nach der Königlichen Criminal-Instruction die Inquisitionen zu allen Zeiten von dem Unter=Gerichten ab, und an die Königliche Justitz Cantzeleÿ gezogen werden können: und da dieser Proceß schon so weit geendet ist, daß der Unter=
[Bl. 142r]
Richter nichts mehr in dieser Sache zu thun hat, als
künftig einmahl die Urthel[27]
zu publiciren: über
diese auch nur einige Hülfs Mittel zu denen Acten
durch den Weg der Commission zu bringen sind. So ist nicht
zu vermuthen, daß Ew. Hochgebohrnen Excellentzien
in der gnädigsten Gewehrung dieser
gerechten Bitte einigen Umstand nehmen werden.
Es hat die Universitaets Deputation ohnehin in
dieser gantzen Sache wie die Acten zeigen, bald
als Richter, bald als Commissarius, bald aber als
keines von beiden gehandelt.
II.
Als ich beÿ meinem ersten Verhöre auf Articul vernommen wurde /: es war dieses kein summarisches Verhör,[28] wie daß elende und falsche sub Nro 33 liegende Protocoll vom 23ten August 1763. eingerichtet ist: denn ich bin von Articul zu Articul die mir der damahlige Prorector Magnificus von Papiere vorlaß, befraget worden :/ so erwehnten die Richter unter andern den Verdacht der aus denen Anzeigen blicken soll, als hätte ich dadurch die Köchin des Stallmeisters aus deßen Dienste zu bringen gesucht.[29] Auf dieses, antwortete ich, das dieser Verdacht deswegen ungegründet, ja unendlich lächerlich wäre; weil dieselbe Köchin auf so vielerleÿ Arten mit meiner Frau und mit mir verbunden ist, daß wenn ich es erzählen darf, die Richter selbst zuerst darüber lachen werden. Der Hoff=Rath Meister, verlanget es zu wißen. Ich erzählte darauf nur diejenigen Umstände die zur Erläuterung der Sache nothwendig schienen nemlich: daß dieses Mädgen an uns ihre einzigen guten Freunde habe; daß sie schon verschiedene Jahre Jahre beÿ uns diente; und daß sie würcklich schon wieder im damahls vorigen Octobr: Monath 1762 dieses Verhör auf Articul, geschahe am 23. August 1763. zu meiner
[Bl. 142v]
Frau als ihre künfftige Haushälterin vermiethet ist,
das Mieth Geld darüber in den Händen habe; und
auf künfftiges Michaelis würcklich ihren Dienst
antreten wird. Der HoffRath Meister sagte das ist
nicht möglich; denn die Köchin hat anders gesagt.
Ich wunderte mich darüber und bath die Richter inständigst,
daß sie diese Sache also bald mit untersuchen
sollten, nachdem ich ihnen alle nöthigen Erläuterungen
darüber gegeben hatte. Der Herr HoffRath
Meister schlug es mir mit dem mündlichen Bescheide
ab: es wäre dieses eine Civil Sache, und sie
gehörte nicht zum Peinlichen Proceße. Ich möchte
also darüber nur mit einer Civil Klage einkommen:
so würde diese Sache auf denselben Wege
untersuchet und entschieden werden. Von dieser
Unterredung befinden sich zum Glücke für
mich, einige unverständliche und verdunckelte
Spuhren indem mit Unrecht so genandten Summarischen
Verhör vom 23ten August 1763. Ich
überreichte also auf Befehle meiner Richter, dem
damahligen Herrn Prorector, welches der HoffRath
Pütter[30]
war, am 3ten Sept: 1763. die mir aufgetragene
Klage, und zum Überfluß stelte ich Ihm
zu seiner nähern Erlernung, die für meinen
Advocaten[31] zur Verfertigung dieser Klag=Schrift
von mir aufgesetzte Species-Facti zu, die der
HofRath Bitter[32]
nachher mittelst einer Überschrift
von seiner eigenen Hand ex officia zu denen
Pasquill Acten sub Nro 37. geleget hat. Zu dieser
Species-Facti ist nur so viel von der Verbindung
dieses Mädgens mit meinem Hause ausgeführet
als nöthig zu sein schiene die beÿden Fragen
zu entscheiden: 1.) Ob diese Köchin schon zu Ende
des Octobris vorigen Jahres, da sie noch nicht eine Wochen
aus unseren Diensten in des Stallmeisters
Diensten gestanden, als Haushälterin von meiner
[Bl. 143r]
Frau gemiethet gewesen ist? und 2.) Ob diese
Köchin schuldig und gehalten ist, künftigen Michaelis
als dem auf die Klage folgenden, 29ten Sept:
ihrer Verbindung nach wieder zu uns in den Dienst
zu treten. Indem, es war also bald einzusehen, das
meine Feinde diesen gantzen Pasquillen Unfug blos
deswegen veranstaltet und fortgesetzt haben, um
die ihnen nicht unbekandt gewesene Verbindung
dieser Köchin mit meinem Hause zu zerreisen, und
uns dadurch selbst in Feindschaft gegen einander
zu setzen. Gleich wie nun an allen Orten wo ich
je gewesen bin, dergleichen Klage als eine Policeÿsache
angesehen, und stehenden Fußes summarisch
vor der Schrancke in denen Policeÿ=Amtern entschieden
wird, so machten vielmehr meine Richter
einen weitläuftigen und Zeit und Geld versplitternden
Proceß daraus, deßen Ende man zum
grösten Verdruß und Schaden meiner Frau
nicht sehen konte. Selbst dieser Umstand beweiset
die Partheiligkeit meiner Richter denen Absichten
meiner Feinde auf alle mögliche Arten zu Hülfe
zu kommen, und beÿ zustehen. Der HoffRath
Bitter rieth meiner Frau, die ihn persöhnlich um
Rath fragte sie solte der beklagten Köchin lieber
Eyde deferiren,[33] welches kürzer ginge, als das
was die Köchin ableugnete, durch Zeugen zu erweisen.
Dieser gut scheinende Rath, wurde befolget:
und erst nach verschiedenen und beschwerlichen
Verlängerungen folgte endlich am 15ten Nov: 1763
ein Decret von der Universitaets Deputation dessen
Inhalts:
daß gegenwärtige Civil-Klage bis zur Endigung der Pasquillen Sache als causae criminalis et praejudicialis,[34] in suspenso[35] zulaßen seÿ, worauf sodann in derselben p. |
Hierauf wurde ad Augustissimum appelliret,
[Bl. 143v]
und ohne mich weiter auf etwas mehr Erläuterndes
als was zur Entscheidung der Haupt=Frage
gehöret, einzulaßen, erfolgte auch von daher
auf meine, allen andern oben schon characterisirten
Berichten der Pasquillen Sache ähnlichen Bericht
der Deputation, für die allerunterthänigst nachgesuchte
Reformation dieses Decretes, eine Verweigerung.
Da nun die Acten dieses Proceßes
allen Umständen nach von denen Pasquillen Acten
unzertrennlich sind, so hat die Deputation mir schon
öffters privatim zugesaget, /: wie ich mich auch
einige mahle in meinen eingereichten Exhibites
die beÿ denen Pasquill Acten liegen, auf
diese Zusage beruffen habe :/ daß sie denen letzteren
sollen beÿgeleget werden, insonderheit
aber hat mich dieses Gericht deswegen öffentlich
in einem Decreto
vom 5ten Novembr.
1764[36] welches
beÿ denen Pasquill Acten anzutreffen ist
an Ew: Hochgebohrnen Excellentzien mit folgender Resolution verwiesen:
Was hiernächst deßelben Ansuch wegen herbeÿ Schaffung der Acten seiner wieder den Stallmeister Aÿrer und die Beckerin erhobenen Civil-Klage anbetrift, in welcher derselbe ad Augustissimum adpelliret, und deren Zurücksendung hat derselbe beÿ Königl. Landes-Regierung selbst gebührend nach zusuchen. |
In Betracht das diese Acten schon selbst von dem mir aufgebürdeten Verdacht mich befreÿen, und mir also zu meiner Defension sehr viel an denenselben gelegen ist; so werden Ew. Hochgebohrnen Excellentzien unterthänigst von mir angeflehet!
diese besagten, Lowitz contra Ayrer et consorten rubricirten Acten aufsuchen, | |
[Bl. 144r] | |
und denen in Göttingen vorhandenen Pasquill Acten beilegen; mir aber durch die Universitaets-Deputation in Göttingen, oder anderst woher, die Art dieser Beÿlegung anzeigen zu laßen; damit ich mich in meiner künftigen Deduction zur Bequemlichkeit des künftigen Referentens, Richtig darauf beziehen könne. |
III.
Aus denen oben und auch schon anderswo in Actis angeführten Gründen ist klahr, daß die Eröffnung derer übrigen noch zurück behaltenen Acten Stücke des Pasquill Proceßes, als nemlich: die beÿden mit Königl. Regierungs Rescripten an die Universitaets Deputation gesendeten Rechtsgutachten, wie auch die beÿden dringenden Vorstellungen derer HofRäthe Ayrer und Michaelis, welche theils die Gründe des Verfahrens, theils aber die auf diese Gründe gebaueten Vorschrifften des Verfahrens in sich enthalten, der Gerechtigkeit gemäß ist: Daher ohne mercklichen Nachtheil der Ehre des Judicii nicht länger verschloßen bleiben können, deswegen nehme ich mir um dieser wichtigen Ursache willen, abermahls die Freÿheit Ew. Hochgebohrnen Excellentzien um höchst dero eignen Genuugthuung willen unterthänigst und dringend zu bitten:
diese vier derer wichtigsten Acten Stücke, als nemlich die beÿden Rechtlichen Bedencken oder Rechtsgutachten, wie auch die beÿden dringenden Vorstellungen derer HofRäthe Ayrer und Michaelis nicht allein denen Gerichtlich verhandelten Pasquill Acten, sie damit vollständig zu machen, beÿ zulegen; sondern auch diese sämtlichen Acten Stücke von Gerichts wegen abschrifftlich zum nöthigen | |
[Bl. 144v] | |
Gebrauche bei meiner Defension mir mittheilen zu laßen. |
Ew: Hochgeborne Excellentzien erweisen beÿ dem Zustande dieser schlimmen Sache, durch die erbethene Mittheilung dieser Schrifften, in Wahrheit sich selbst die eigene Gerechtigkeit: und es wird dadurch der Proceß vielmehr abgekürtzet als verlängert; indem ich ohne meinen grösten Nachtheil von dieser unterthänigsten Bitte und Forderung nach gestalt der Sachen nicht ablaßen darf noch kan. Die fernere ungnädige Abschlagung meiner gerechten Bitten würde mehr als eine Verweigerung der unpartheÿischen Justitz, als für eine Beförderung derselben anzusehen und zu erklähren seÿn: Da sich es meine Feinde und insbesondere die beÿden unruhigen HofRäthe Ayrer und Michaelis selbst zuzuschrieben haben, wenn aus den von Ew. Hochgebohrnen Excellentzien beÿ einer wahren unpartheÿischen Justiz Pflege freÿ gelaßenen Laufe der Justiz, etwas wiedriges auf sie zufließen solte: da es ihnen nicht befohlen war in dieser Sache das Amt eines Fiscals[37] zu verwalten, und auf die Fortsetzung eines Proceßes zu dringen, deßen schimpflichen Fortgang, Ew. Hochgebohren Excellentzien aus wichtigen und gerechten Ursachen zu unterbrechen gnädigst befohlen haben.[38] Die Universitaets-Deputation hat ja das niederträchtige und boshafte Schreiben des Armen Professor Koelers[38] sub Nro 28. denen Acten beÿ geleget und ihn also dadurch mir auf Discretion übergeben. Warum sollen meiner andern beÿden Feinde, die gewiß in Göttingen durch ihre Aufführung sich unendlich verhaßter als jener, gemacht haben, ihre Specimina prudentiae et Christianae[40] nicht auch die Acten zieren? Wird durch diesen Umstand die Ehre meiner Feinde verletzet, so bin ich noch
[Bl. 145r]
viel weniger Schuld daran, als der Dornstrauch
an der Verwundung einer Hand ist, die ihn mit
einer flüchtigen Verwegenheit, heftig und geschwinde
aus zu rotten suchet.
IV.
Da meine Erste unterthänigste Bitte auf die im Eingange angeführte Beschaffenheit des Proceßes, und den wahren Innhalt der Acten gegründet ist; von dem ich aber nicht fordern kan, daß meiner eigenen Relation geglaubet werden müße: so wollen Ew: Hochgebohrnen Excellentzien mir gnädigst Erlauben einen unmaßgeblichen Vorschlag wagen zu dürffen, wie, und auf was für eine Art, Höchst dieselben ohne viele Umstände kürtzlich zur Richtigen Erkenntniß der Beschaffenheit des Proceßes und der Acten gelangen können.
Es ist 1.) höchst erforderlich, weil der Proceß zur Satisfaction des Publici, und zur Ehre des Judicii sich enden soll, daß vor allen Dingen die sämtlichen Gerichtlichen Acten cum annexis von der Universitaets Deputation in Göttingen abgefordert und hieher zur Königl. Hohen Landes Regierung gebracht werden. Nach diesem wäre 2.) einem allhiesigen Rechtschaffenen und berühmten Rechtsgelehrten, der niemahls etwas mit diesem Proceße zu thun gehabt, noch auch weder mit meinen Feinden noch mit mir in einiger Verbindung stehe, aufzutragen in meiner Gesellschaft die gesamten Acten durch zu gehen, und sich alle merckwürdigen Umstände die darinnen vorkommen; alle Nullitaeten; alle Verdrehungen und Verfälschungen; alle Vergehungen, wieder die Königl. Criminal-Instruction als der eintzigen Vorschrift dieser Proceße; wie auch alle die Fehler wieder anderer Könige Landes Gesetze, und wieder
[Bl. 145v]
die Proceß Ordnungen; die Partheylichkeiten, und
offenbahre Feindseeligkeiten in denen Berichten;
die auf einander Folgung der bis jetzt noch fortdauernden
Pasquille, und der dabeÿ geführten
gleichlauffenden Treibereÿ meiner Feinde, zur
Inquisition; und tausend dergleichen andern aber
eben so wichtige schöne Stücke; ferner, meine
Gründe zur Defension und Anfechtung des gantzen
Verfahrens, von mir zeigen zu laßen. Denn
das ist nicht zu hoffen daß ohne mich auch der
gröste Rechtsgelehrte diese confusen und weitlauftigen
Acten in 3 Wochen durch studiren und
alles selbst aus denselben einsehen und finden
solte, was auf diese vorgeschlagene Art durch eine
Beÿhülfe in zween oder höchsten in
dreÿ Tagen mit Bequemlichkeit geschehen kan.
Denn mir sind nunmehr diese Schand Acten
durchaus so gut bekandt, als einen alten Professor
sein Compendium ist, welches er selbst
geschrieben und schon 10 Jahre darüber gelesen
hat. Ich bin überzeugt meine Richter in Göttingen
sehen diese Acten auf den Tisch liegend
so gleichgültig an, als ich das Corpus Juris. Aber
sie würden erschrecken wenn sie wüsten was
für ein Schatz darinnen stecket. Es ist gewiß
zu glauben daß der HofRath Meister diesen Proceß
eben so wenig als ein Beispiel in seine
Einleitung zum Peinlichen Proceße bringen
wird, so wenig als zu vermuthen ist, daß er
seine bekandte vorlängst geführte Defension
eines Göttingischen Soldaten in Pto infante
cidii[41] als ein Beispiel einer Defension darein
rücken werde. Da nun auf diese leichte und
sichere Art Ew: Hochgebohrne Excellentzien ehe
ich mich defendire durch eine kurtze Relation
von dem gantzen Proceße, und von den Gründen
[Bl. 146r]
meiner Deduction die wahren Begriffe bekommen
können, so unterstehe ich mich in tiefster
Submission Ew. Hochgebohrnen Excellentzien unterthänigst
zu bitten!
diesem leichte auszuführenden Vorschlage
ein gnädigstes Gehör zu geben, und 1.) veranstalten
zu laßen, daß so bald es nur geschehen
kan, die Acten von der Universitaets Deputation
abgefordert und hieher gebracht werden. 2.) Einen hiesigen Rechtschaffenen Rechtsgelehrten der in dieser Sache gäntzlich unpartheÿisch ist, gnädigst aufzutragen mit mir gesellschaftlich diese Acten durch zu lesen, und sich von mir alles nöthige Anzeigen und Bemercken zu laßen; welcher 3.) endlich durch eine kurtze Relation Ew: Hochgebohrnen Excellentzien von denen Befunden und Umständen referiren kan. |
Auch zur Ausführung dieses Vorschlags erbiethe ich mich die Kosten zu bezahlen, wenn es Ew: Hochgebohrnen Excellentzien für billig finden werden. Denn mir ist mehr daran gelegen daß diese Sache vollkommen auseinander gesetzet werde, als mein Leben. Ich will gerne mit zerrißenen Lumpen bedecket, mein Söhngen auf dem Arme und den Bettelstab in der Hand aus Göttingen an den Ort wo ich erwartet werde, zu Fuße gehen, als in Ew: Hochgebohrnen Excellentzien Augen, und in den Gedancken meines zukünftigen Souverains nur den geringsten Flecken auf meinen guten und ehrlichen Nahmen hafften zu laßen. Ich habe mich von meiner Kindheit an bis hieher in mein männliches Alter mit der äußersten Bemühung und unglaublichen Fleiße bestrebet, den Ruhm eines Ehrlichen und rechtschaffenen Mannes zu erwerben und zu
[Bl. 146v]
erhalten. Ich bin keines Professors Sohn, viel weniger
eines fürstlichen Cammer Dieners, und HofTrompeters
Sohn, durch deren reichen Mittel und Unterstützungen
ich mich bis zu der Höhe und dem Ansehen worauf und
in welchem ich beÿ dem Anfange des niederträchtigsten
Pasquillen Unfuges gestanden bin, hätte schwingen
können. Mein Vatter war ein Armer Handwercks
Mann in einem Marckt=Flecken, der mir aber schon
im vierdten Jahre meines Alters gestorben ist.[42]
Meine Mutter, die noch jetzt in Nürnberg im hohen
Alter, aber durch mich glücklich und vergnügt gemachet,
lebet,[43] hat sich und mich durch mühseelige Tage
Arbeiten so lange ernehren müßen, bis ich und
zwar schon in meinen Sechsten Jahre anfing durch
meine Lern Begierde und besondern Fleiß mit
allerleÿ kleinen obgleich kindischen Künsten wenigstens
mein Brodt zu verdienen. Ich fing im Neundten
Jahre an, andere im lesen Schreiben und Rechnen
zu unterweisen: und im Zwölften Jahre verschafte
ich meiner Mutter durch meinen kleinen Verdienst
ein ruhigeres Leben als sie vorhin hatte. Im dreÿzehnten
Jahre legte ich mich auf die Ernsthafftere Künste
und insbesondere auf die Mechanick. Ich drängte
mich an alle Persohnen, von denen ich Nachricht bekam
daß sie Liebhaber und Kenner derer Mathematischen
Wißenschafften waren; diese lehnten
mir an Büchern was sie hatten, und ich schrieb die
gantzen Nächte die Bücher aus, und Studirte deren
Inhalt mit der grösten Begierde: und was ich auf
diese Art mit dem eiffrigsten Fleiße lernte,
suchte ich mir auch jederzeit theils durch die ausübung
theils aber durch die Anwendung nutzbahr zu machen,
um dadurch meinen Verdienst zu vergrößern, und
mir selbst die nöthigsten Bücher und Instrumente,
nach und nach anschaffen zu können. Im achtzehnten und
neunzehnten Jahre meines Alters hatte ich schon verschie-
[Bl. 147r]
dene Adeliche erwachsene Persohnen in meiner Unterweisung:
und im zwantzigsten Jahre suchte mich
die Homannische Geographische Officin in Nürnberg
auf, als ihr meine kleinen Einsichten in die mathematische
Geographie die ich damahls besaß, bekandt
wurde: und überredete mich in ihr Hauß zu ziehen
damit ich meine Arbeiten und Bemühungen beßer anwenden
und fortsetzen könte. In diesem Jahre fing es an viel
ernsthaffter mit mir zu werden: und die Bescheidenheit
verbiethet mir von meinen folgenden Umständen,
davon einige selbst hier, alle aber in gantz
Nürnberg so sehr bekandt sind, weiter etwas beÿ
zu fügen. Ich habe diesen kurtzen Auszug des Lebenslaufes
meiner ersten armen Jugend nur
aus dieser Ursache hergesetzet, damit Ew. Hochgebohrnen
Excellentzien daraus ersehen können, wie derjenige
Theil des Lebens, da man der grösten Ausschweiffungen
und wilden Thorheiten fähig ist,
von mir zurück geleget worden. Es ist gewiß ich
war sehr munter und stets lustig: aber niemahls
verwegen und niemahls boshafft noch viel weniger
niederträchtig. Ein sanffter und erlaubter Ehrgeitz
leithete mich stets auf dem Wege der Tugend
bis hieher. Es ist aber bekandt wie schwer und
mühsam für die muntere Jugend dieser Weg zu
wandern ist? Wahre Menschenliebe, Leuthseeligkeit
und Demuth sind nebst der Gottseeligkeit die beständigen
Begleiter meiner mühseeligen und arbeitsvollen
Reise gewesen: und ich bitte Gott von
gantzem Herzten, daß er mir diese seelige Begleitung
bis ans Ende meines Lebens laßen wolle!
Ew: Hochgebohrne Excellentzien wird noch aus
einer ehemahls alhier abgehaltenen Untersuchung
erinnerlich seÿn, daß ich von einen meiner Anverwandten
durch seine Betrügereÿen aus Nürnberg
nach Göttingen geschleppet worden bin.[44] Und jetzt
[Bl. 147v]
muß ich auf das traurigste erfahren, wie mich
eine noch größere abscheuliche und strafwürdige
Betrügereÿ, die von einem andern meiner neuen
Anverwandten[45] eingerichthet und ausgeführet worden
ist, wiederum aus Göttingen vertreibet. Ich habe
an diesen mir äußerst fatalen Orte alles ausgestanden,
was je ein Mensch in der Welt ausstehen kan:
und ich halte diese zehen Jahre meines dortseins
welches der 4te Theil meines Lebens ist den ich
in Göttingen unter allen Arten der Verfolgungen
und Unglücksfällen durch gelebt habe, für mich gäntzlich
verlohren: ob sonst schon diese Zeit in meiner
Lebens Geschichte den merckwürdigsten und grösten
Theil ausmachen wird. Hier habe ich erst die Welt
kennen lernen. Hier sahe ich Bosheiten und Verbrechen
mit Thorheiten vermischt, von denen ich niemahls
die Nahmen viel weniger die Handlung gewust
habe. Ich sahe Wölffe in Schaafs Peltzen verstecket;
Grausahme Feinde unter der Masque der
Freundschafft. Ich sahe Gelehrte, recht sehr Gelehrte
Idioten. Überhaupts: Ich sahe alles was schändlich
und alles was thörigt ist, von Leuten ausüben, welche
zu Lehrern der Wißenschafften und der Jugend bestimmt
sind. Allein es gibt dort auch viele rechtschaffene
und vernünftige Männer, die in stiller
Ruhe ihres Gemüthes, nach zurück gelegten Lehrstunden,
sich nur denen Musen widmen. Aber sie
sehen den elenden Zustand welcher den weitern
Flohr der Academie so beschwerend hindert, nur
mit erbarmungsvollen Hertzen an: mehr können
sie nicht thun! Sie sind unbehertzt ihre Stimmen zu
erheben, und sie sind gewiß durch das Beÿspiel
welches mir begegnet ist, noch furchtsamer und
schüchterner gemacht, sich des Schaden
Josephs[46] anzunehmen.
[Bl. 148r]
Ew: Hochgebohrnen Excellentzien verzeihen diesen
gerechten Eiffer meiner Seele. Er entspringt nicht
aus Rachsucht gegen meine Feinde: Denn die Rachsucht
empfehle ich Gott dem allerhöchsten Richter:
Wolte Gott ! daß dieses Opfer welches ich so wohl
mit meinem Vermögen als mit meiner Persohn
für die Ehre der Gerechtigkeit thue, einen starcken
Einfluß auf eine beßere Befestigung der Glückseeligkeit
und auf den immer mehr wachsenden Flohr
der Georg Augustus Universitaet haben möchte !
Vielleicht bahnet diese, meine gegenwärtige Vorstellung
einen neuen Weg darzu? Es ist mir
Göttingen durchaus, vielleicht beßer, als irgend
einer dort wohnenden Persohn bekandt. Ich kenne
nunmehr alle Vortheile und Mängel der
Stadt und der Academie. Ich kenne aber auch einige
Mittel und zwar nicht schwere Mittel, die Vortheile
zu vergrößern, und die Mängel wo nicht
gäntzlich auszurotten, dennoch aber zu vermindern.
Da ich schon seit zweÿ Jahren aus dem Corpore Academicorum
getreten bin;[47] und da ich mich jetzt auch
so wohl von der Stadt als auch von meinen übrigen
Verbindungen gäntzlich loß zu machen bemühe;
um nach Ausgang dieses verdrießlichen Proceßes
mit Ehren und Ew: Hochgebohrnen Excellentzien
gnädigsten Zufriedenheit einen Ort zu verlaßen,
der mir so sehr Fatal gewesen ist; so bin ich in
diesem Falle um so unpartheÿischer auf hohes Verlangen
alle mögliche Nachrichten davon so lange als
ich mich noch in Göttingen aufhalten muß, zur höchst Dero
eigenen Einsicht zu bringen.
Ew: Hochgebohren Excellentzien werden dadurch von mir umso kräftiger überzeuget werden, daß ich weder über das Schicksal des Himmels, noch auch über Höchst Dero bisherige Verfügungen in meinem Hertzen unzufrieden bin. Die wahre Ehre, und nicht das geringste
[Bl. 148v]
Interesse: die Ausübung meines Wahlspruches:
Fürchte Gott; thue Recht; und scheue niemand, sind
die eintzigen Triebfedern meiner Handlungen.
Ich werde niemahls, und am allerwenigsten jetzt,
einen Schritt thun, welcher dieser meiner gegebenen
Erklärung nur auf das geringste entgegen
gerichtet ist. Ew: Hochgebohren Excellentzien
könnten sich also, wenn ich eines so gnädigen Zutrauens
gewürdiget würde, um so sicherer auf
mich verlaßen, weil ich nicht gewohnt bin meinem
nächsten boshaft zu verläumden; sondern was ich
in diesem Falle bekandt zu machen oder vorzuschlagen
hätte, mit allen möglichen und zu höchst Dero
Überzeugung nöthigen Beweisen zu versehen
und zu unterstützen. Ich bin mit etlichen Persohnen
in Göttingen bekandt, die gleichfals eine vorzügliche
Erkentniß des Zustandes dieser Stadt besitzen;
Ew: Hochgebohren Excellentzien würden dadurch
Leuthe kennen lernen, deren bekandte scharffe
Einsicht in das dortige Policeÿ und Justizwesen
so wohl der Stadt als auch der Academie, vielleicht
die einzigen Ursachen waren, warum man
sie Ew. Hochgebohrnen Excellentzien vorborgen
hielt, um nicht befördert, sondern überall
zurück gesetzt zu werden.
Ew. Hochgebohrnen Excellentzien erlauben gnädigst dieser weitläuffigen und vermischten Vorstellung endlich nur dieses eintzige noch beÿzufügen: das Höchst dieselben diese Schrift entweder als eine Privat-Schrift oder als eine öffentliche zum Pasquillenwesen gehörige Schrift annehmen, und Höchst Dero gnädigsten Resolutiones darnach einrichten und geben können. Ich bin um der eintzigen Ursachen willen hieher gereiset,
[Bl. 149r]
um persönlich so viel mir möglich ist, den freÿen
Lauf der Justiz zu erbitten, und Ew. Hochgebohrnen
Excellentzien zu nähern Erkenntnißen, theils
meiner eigenen, und theils Göttingen überhaupts
angehenden Umständen, den Weg zu bahnen:
und weil ich nun schon über 14 Tage hier bin, so
reise ich heute mit der ordinairen Post wiederum
nach Göttingen, um nach meinem dortigen Haußwesen
zu sehen, und einige benöthigte Anstalten
vorzukehren. Aber nach acht oder längstens
nach viertzehen Tagen will ich mich abermahls persöhnlich
hier in Hannover einfinden, und Ew.
Hochgebohren Excellentzien gnädigste Verfügungen
unterthänigst erwarten, und mich unterwerffen:
in der sichersten Hoffnung, daß die
Verweigerung der Justiz nicht darunter begriffen
sein werden.
Der ich in tiefster Submission verharre
Königlich Großbritannische
zur Churfürstlich Braunschweig-
Lüneburgischen Regierung Hoch-
verordnete Herren Geheimte
Räthe
Hochgebohrne Freÿherren
gnädigste und Hochgebietende Herrren
Ew: Hochgebohren Excellentzien
Hannover
den 2ten Sept:
1765.
Unterthänigster Diener
Georg Moritz Lowitz.
Fußnoten
- ↑ Heinrich Eberhard Balck (1705-1769) war geheimer Kanzleisekretär in Hannover. Der Brief richtet sich nicht an Balck, sondern an Geheimräte in Hannover. Oben rechts auf Blatt 134r ist jedoch in anderer Handschrift der Name von Balck vermerkt.
- ↑ Die Hoffnung von Lowitz auf ein baldiges Ende des Prozesses erfüllte sich nicht, denn der Prozess zog sich noch zwei weitere Jahre hin.
- ↑ Anfang April 1763 wurden Schmäschriften an mehreren Göttinger Häsern angeschlagen, was sich im folgenden in immer neuen Variationen wiederholte. Diese Pasquillen genannten Schriften wurden von einer Deputation der Universtität untersucht, wobei Lowitz der Hauptverdächtige war.
- ↑ peremtorisch: jeden Widerspruch ausschließend, endgütig.
- ↑ Rechtsgutachten waren von der Regierung in Hannover u.a. von Rudolf Christoph von Bilderbeck (1714-1786) angefordert worden, der von 1744 bis 1772 Hof- und Kanzleirat in Hannover war.
- ↑ Georg Heinrich Ayrer (1702-1774) war seit 1736 Juraprofessor in Göttingen, 1743 ernannte man ihn zum Hofrat.
- ↑ Johann David Michaelis (1717-1791) war Theologe und Orientalist an der Universität Göttingen. U.a. er entwarf für die dortige Akademie der Wissenschaften die Satzung und war einige Zeit Sekretär, dann Direktor dieser Einrichtung.
- ↑ Christian Friedrich Georg
Meister (1718-1782)
war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen. Lowitz
nahm hier auf folgendes Werk Bezug:
Ausführliche Abhandlung des Peinlichen Processes in Teutschland. Zweyter Theil. Göttingen: Victorin Bossigels 1750, S. 251. - ↑ Diese Stelle gab Meister als Belegstelle an. Gemeint ist: Thönnicker, Johann David: Advocatus Prudens In Foro Criminali. Chemnitz, Leipzig: Stoesselius 1710, S. 19.
- ↑ Vidimation: Beglaubigung.
- ↑ Christian Gottlieb Riccius (1697-1784) war seit 1747 Universitäts-Secretär und seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen.
- ↑ Ut in Rescripto: Wie im Rescript. Mit dieser Formel verweist man auf den Brief, dem das PS angehängt ist und erspart sich damit weiterer Grußformeln.
- ↑ Siehe die Briefe von Ayerer und Michaelis vom 20. Juni 1763. Die Landesregierung wollte den Pasquillen-Prozess einstellen, Ayrer und Michaelis wünschten die Fortsetzung. Ayrer erwäht Lowitz nicht, wohingegen Michaelis sich von Lowitz beleidigt fühlte und forderte, dass er zur Rechenschaft gezogen werde, auch in dem Fall dass er in der Pasquillen-Sache unschuldig sei.
- ↑ Ein Quartant ist ein Buch in Viertelbogengröße.
- ↑ Nullität: Nichtigkeit.
- ↑ Actio de Syndicatu contra judicem: Aktion eines Oberrichters gegen das ungerechte Urteil eines Richters.
- ↑ avertere: abwenden.
- ↑ Purgatorium: eigentlich das Fegefeuer. In der Juristerei ist es "der Reiniguns=Eid, welchen der Richter auf Erkänntniß derer Sachen demjenigen aufleget, wieder welchen etliche Vermuthungen streiten, daß er sich dadurch von solchen befreye, und die zweifelhafftige Sache entschieden werde" (Zedlers Universallexikon).
- ↑ Lowitz zitiert aus § 40, nicht aus § 36. Der Text weicht minimal vom Original ab, etwa komt statt kommt.
- ↑ Friedrich Wilhelm Leyser (1658-1720) war Jurist und Stadtsyndikus von Magdeburg.
- ↑ Dicasterium: ein allgemeines Richterkollegium.
- ↑ Actuarius: Protokoll- oder Aktenführer.
- ↑ Additiones der historischen Einleitung zu dem Criminal-Process. Ulm: Johann Conrad Wohler 1748, S. 102
- ↑ Lowitzens Ehefrau starb am 14. März 1765.
- ↑ ad Augustissimum: für die höchste Majestät.
- ↑ Ein vergleichbarer Wunsch war Lowitz mit Rescript vom 22. August 1763 abgelehnt worden, da "er, der Pr: Lowitz, die Kosten dazu her zugeben nicht gesonnen seÿn werde".
- ↑ Urthel, Urteile.
- ↑ Ein summarisches Verhör ist ein formloses Verhör, wie es in aller Regel zu Beginn einer Untersuchung geführt wird.
- ↑ Maria Elisabeth Becker scheint seit 1762 beim Stallmeister
Ayrer als Köchin angestellt gewesen zu sein. Vgl.:
Wagener, Silke: Pedelle, Mägde und Lakaien: Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737-1866 (= Göttinger Universitätsschriften: Serie A, Schriften; Bd. 17 ). Göttingen: Univ., Diss. 1994, S. 472. Im Beisein des Juristen Selchow war Lowitz in einen Streit mit Ayrer über die Köchin geraten. Kurz darauf wurde die erste Pasquille angeklebt, des Inhalts, dass Ayrer mit seiner Köchin ein Verhätnis habe. Deshalb war Lowitz der Hauptverdächtige. Da folgende Pasquillen aber auch juristische Kenntnisse verrieten, wurde Selchow verdächtigt. Vgl. die Stellungnahme von Selchow dazu. - ↑ Vom 04.07.1763 bis zum 03.01.1764 war Johann Stephan Pütter (1725-1807) Prorektor. Er war seit 1753 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen.
- ↑ Anwalt von Lowitz war Heinrich Christian Jaep (ca. 1718-22.07.1788).
Der hatte in Göttingen ab 1737 studiert und ließ sich hier als Jurist nieder.
Vgl.:
Wähner, Andreas Georg: Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg. Bearbeitet von Sigrid Dahmen. (= Quellen zur Geschichte der Stadt Göttingen, Band 2). Göttingen: Universitätsverlag 2012, S. 258. - ↑ Gemeint ist der Hofrat Pütter.
- ↑ Eyde deferiren: statt viele Zeugen zu befragen, sollte Frau Lowitz einen Eid darüber ablegen.
- ↑ causa criminalis: Strafrechtsfall.
causa praejudicialis: Eine vorläufig auszumachende Sache, die auf die Entscheidung in der Hauptsache Einfluss hat. - ↑ in suspenso: In der Schwebe.
- ↑ Dieses Dekret wurde zwar am 12. November bei Lowitz eingereicht, doch ließ der es mit Begleitschreiben vom 13.11.1764 aus Krankheitsgründen ungeöffnet zurückschicken. Erneut wurde es erst am 13.04.1765 überschickt, vgl. die Antwort von Lowitz vom 15.04.1765.
- ↑ Fiscal "ist ein Fürstlicher Beamter, der der Obrigkeit bestes in Acht nimmt", (Zedlers Universallexikon).
- ↑ Vgl. hierzu das Schreiben der Landesregierung in Hannover an die Deputation der Universtität vom 16. Juni 1763.
- ↑ Johann Tobias Köhler (1720-1768) war ebenfalls Professor für Philosophie in Göttingen. Das angesprochene Schriftstück Köhlers ist nicht überliefert, doch spricht Selchow in seiner Stellungnahme vom "unfläthigen" Schreiben Köhlers.
- ↑ Specimina prudentiae et Christianae: Beispiele für Klugheit und Christlichkeit.
- ↑ Infante cidii: Infantizid, Kindsmord.
- ↑ Lowitz wurde am 17. Februar 1722 geboren, sein Vater wurde am 9. Juni 1727 beerdigt. Damals war Lowitz bereits 5 Jahre alt, d.h. sein Vater ist im sechsten Lebensjahr des Sohnes gestorben. Hier hat Lowitz sein Gedächtnis also etwas im Stich gelassen.
- ↑ Die Mutter von Lowitz war am 24. November 1692 getauft worden. Bei Abfassung des vorliegenden Briefes war sie also fast 73 Jahre alt.
- ↑ Johann Michael Franz hatte den Kontakt mit Göttingen angebahnt. Lowitz hatte seine Schwester geheiratet, die aber schon Anfang 1756 gestorben ist.
- ↑ Hier kann kaum jemand anders als Otto Riepenhausen gemeint sein, der Bruder seiner zweiten Ehefrau. Dessen Name taucht in den überlieferten Pasquillen-Akten allerdings nicht auf. Lowitz scheint ihn aber als Drathzieher hinter der ganzen Affaire vermutet zu haben.
- ↑ Der Schaden Josephs ist laut Zedlers Universallexicon eine "Redens=Art, so von dem Zustande des Josephs genommen, als ihn seine Brüder in die Grube warffen, und er in Leibes- und Lebensgefahr steckte, so bekümmerten sie sich wenig darum, sondern waren lustig und fröhlich, setzen sich nieder zu essen, 1. Buch Mos. XXXVII, 24.
- ↑ Aus Verärgerung darüber, dass er als Verdächtiger in der Pasquillen-Sache angesehen wurde, trat Lowitz mit Schreiben vom 19. August 1763 von allen seinen akademischen Ämtern zurück.