Briefwechsel Maria Clara Eimmart

Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Eimmart, Maria Clara (1676-1707)
Empfänger Scheuchzer, Johann Jacob (1672-1733)
Ort Nürnberg
Datum 23. Juni 1697
Signatur ZB Zürich: Ms H 297, S. 67-69
Transkription Hans Gaab, Fürth

Monsieur.

Daß ich durch sehr langes stillschweigen auf Ihr letzt an mich abgelassenes Schreiben eine sehr große unhöflichkeit begangen, kan mich leichtlich bereden; massen Sie wegen der Astronomischen Sachen so Sie von mir zu wissen begehret, sehr lang aufgehalten; da doch solche vielleicht schon längstens zu haben verlangt worden. Allein Sie werden geneigt belieben anzuhören, wie sehr viele Impedimenta[1] vor gefallen, welche stets so wohl mich, als meinen Hertzgeliebten Herren Vatter aufgehalten, daß nicht eher angenehmlich bedienen können. Nun aber, der Schuldigkeit nach zu leben, halte ich mich verbunden, vor dieß mahl einiges vergnügen zu leisten mit denen Worten meines Herrn Vatters, welche Er, zu schreiben, mir befohlen; kürtzlich dieses:

Daß das edle studium Matheseos vordeßen alhier in Nürnberg überaus muß beliebt gewesen seyn; kan man nicht allein abnehmen aus der großen menge Sonnen=Uhren, welche an den meisten Häusern überall angemahlt zu finden; sondern auch aus der noch größern menge allerhand kleinen instrumentorum, varii generis, bevorab der Astrolabiorum. Dern mir so viel zu gesicht und zu handen gekommen, daß ich fast zweifele, ob in gantz Teutschland rings umb miteinander so vil zu finden, als allein allhier in Nürnberg.

[S. 68]
Und es kan auch fast nicht anders seyn, weil alle Zeit viele Vortreffliche Männer in diesem Studio allhier florirt haben, deren Nahmen und ihre Ruhmwürdigste Werke zum guten theil in praefatione Planisphaerii Bartschii zu finden;[2] wie auch sonst über diß noch viel andere biß auf jetzige unsere Zeiten; dann ohne Regiomontanos, Schoneros, Werneros, weiß man auch von Georg Hartmann, Franz Rittern, Levin Hulsii, Jacob und Sebald Heyden,[3] Andreas Goldmayers, Philipp Eggenbrecht etc. ihren Schriften und schönen mathematischen kunstwerken zu rühmen, deren letztere mir noch von Angesicht als ein venerandus senex[4] kennlich gewesen, welcher auch Joannis Keppleri, trium Imperatorum Mathematici special guter Freund war, und ex illius praescripto Tabulam Orbis Terrarum meridiano Uraniburgico accommodatam adornirt hat,[5] deßen posteri und nepotes[6] allhier annoch in gutem wohlstand befindlich.

Und von gegenwärtigen Zeiten zu reden, wie kann der Ruhm verschwiegen seyn, deß in toto orbe literario berühmtesten Herrn Professoris Altdorfii Noricorum Joannis Christophori Sturmii, welcher sich schon lange Zeit hero so wohl in Philosophia naturalis als Rebus Mathematicis best meritirt gemacht, und den preiß seiner Praedecessorum, Abdiae Treu, Daniel Swenters Joannis Praetorii weit vor aus überkommen hat. Wann man sich weiter allhier unter denen Virtuosen will umsehen, werden deren nicht wenig seyn, welche das Studium Mathematicum nicht allein gründlich verstehen, sondern auch noch von Tag zu Tag weit läufftiger excoliren, worunter vornehmlich zu nennen, Joannes Philippus Wurzelbaur, welcher wegen seiner vortrefflichen cognition in rebus Astronomicis unlängst von Kayserl. Majest: geadelt worden,[7] und einen Tractatum Astronomico-Geographicum[8] propediem[9] zu ediren willens ist.

[S. 69]
Von meiner Wenigkeit und geringem beginnen in consimili studio, wird nicht nötig seyn, etwas zu gedencken, weil es nicht darnach beschaffen, daß einiges Ruhms würdig wäre. Dann nur allein was ich darinnen vorhabe in gloriam Dei, operumque ejus admirandorum indefessam considerationem[10] angestellet ist. Mein schlechtes observatorium ist nach proportion meines unvermögens eingerichtet; So aber Mein Hhl. Herr Doctor beliebte genauere notitiam hiervon zu haben, kan solcher onbeschwerd aus dem Epistola Glaseri an Excell. D. Knorren Prof. Mathem: Wittebergae, welche Er hievon edirt, ersehen werden; in deren ermangelung mit einigen Exemplar dienst fertig auf zu warten, auch sonsten anderwärtig nach geringem vermögen zu dienen nicht unterlaßen werde. Zum Beschluß habe von meinem Hertzgeliebtesten Herrn Vatter und Frau Mutter einen dienstlichen Gruß zu vermelden, Nebst schönster befehlung übergebe meinen hochgeehrten Herren Doctor der hohen Allmacht Gottes.

Nürnberg
dem 23. Jun:
1697.

Maria Clara Eimmartin.


Fußnoten

  1. impedimenta: Hindernisse.
  2. Bartsch, Jacob: Planisphaerium stellatum seu Vice-Globus Coelestis In Plano Delineatus. Nürnberg: Fürst 1661.
    In der Vorrede wird die besondere Rolle Nürnberg für die Astronomie hingewiesen, sowie die bedeutensten Nürnberger Astronomen vorgestellt. Maria Clara Eimmart hat auf diese Vorrede schon im Brief vom 13. Februar 1696 Bezug genommen.
    Der Astronom Jacob Bartsch (1600-1633) war der Schwiegersohn von Kepler.
  3. Jacob Heyden war ein Künstler aus Straßburg, der von Sandrart in dessen Teutscher Academie erwähnt wurde. Er war kein Astronom und hat mit Nürnberg nichts zu tun. Möglicherweise verwechselte ihn die Eimmartin mit Christian Heyden (1526-1576), der Direktor des Egidien-Gymnasiums war und Kalender schrieb. Sein Vater Sebald Heyden (1499-1561) war Schulmeister und Musiktheoretiker in Nürnberg.
  4. venerandus senex: ehrwürdiger Greis. Hier täuscht sich die Eimmartin: Eckebrecht starb am 5. März 1667, also fast zehn Jahre vor ihrer Geburt.
  5. Eckebrecht war mit Kepler befreundet und überwachte die Drucklegung von dessen Weltkarte, deren Nullmeridian durch Brahes Uraniburg verlief ("Tabulam Orbis Terrarum meridiano Uraniburgico accommodatam").
  6. posteri et nepotes: Kinder und Enkel.
  7. Wurzelbau wurde am 29. August 1692 vom Kaiser in den Adelstand gehoben.
  8. Wurzelbau, Johann Philipp: Uranies Noricae basis astronomico-geographica. Nürnberg: Eigenverlag 1697.
  9. propediem: nächstens.
  10. zum Ruhme Gottes und dessen bewunderungswürdigen Werke in unermüdlicher Betrachtung.